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Archiv-Artikel

Eine heftige Debatte um die Köpfe

Innensenator Körting (SPD) will für den gesamten öffentlichen Dienst das Kopftuch per Gesetz untersagen. Koalitionspartner PDS sieht hingegen keinen Handlungsbedarf und fordert eine öffentliche Debatte mit Experten. Die hat längst begonnen

von PLUTONIA PLARRE

Das Tempo, mit dem Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf die „Kopftuchentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts reagiert, hat beim Koalitionspartner PDS gelinde gesagt Verwunderung ausgelöst. „In Berlin besteht kein Handlungsbedarf“, meint der PDS-Innenpolitiker Udo Wolf. Hier sei keine Lehrerin bekannt, die in einer öffentlichen Schule mit Kopftuch unterrichten will. „Von uns aus“, so Wolf, „kann alles so bleiben, wie es ist“.

Wenige Tage nach Bekanntwerden des Karlsruher Beschlusses hatte Körting ein Gesetz in Auftrag gegeben, das Lehrerinnen, Richterinnen, Staatsanwältinnen und Polizistinnen das Tragen von Kopftüchern in der Dienstzeit verbieten soll. Gemeint sind laut Körting Beamte und Angestellte, kurzum: alle, „die als Staatsbedienstete dem Bürger gegenübertreten“. Der Gesetzentwurf soll gegen Jahresende vorliegen. Geändert werden muss im Landesbeamtengesetz das Mäßigungsgebot im öffentlichen Dienst, das weltanschauliche Neutralität vorschreibt. Das Tragen politischer Sticker ist schon lange verboten.

Seinen Vorstoß gegen das Kopftuch hat Körting damit begründet, das Tuch sei für ihn „nur zum Teil“ Ausdruck religiöser Gesinnung. Es sei zunehmend Bestandteil „einer fundamentalistisch und aggressiv nach außen getragenen Grundhaltung gegen das westliche Wertesystem und die Emanzipation der Frau“. Alle anderen religiösen Symbole, vorausgesetzt, sie sind „klein und dezent“, sollen laut Körtings Sprecher Peter Fleischmann hingegen erlaubt bleiben. „Das Ganze ist eine Frage der Dosis. Ein Kettchen mit einem Davidstern, Kreuz oder Halbmond als Anhänger wird niemanden beeinträchtigen.“ Ein Mathematiklehrer in Mönchskutte könne in einer öffentlichen Schule auch nicht geduldet werden.

Uniform für Lehrer?

Berlin gehört zur Minderheit von 6 Bundesländern, die nach dem Karlsruher Beschluss ein Kopftuchverbot angekündigt haben. Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen planen keine Gesetzesänderung, weil derzeitige Regelungen ausreichend seien. In Hamburg arbeitet eine Lehrerin mit Kopftuch, in NRW sind es 15. Nicht das Tragen des Tuchs allein, sondern die Haltung zur Neutralitätspflicht müsse vor einer Übernahme in den Schuldienst geprüft werden, beschreibt NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) die Haltung der rot-grünen Landesregierung.

In Berlin ist bisher kein Fall bekannt, wo eine Staatsbedienstete beantragt hätte, mit Kopftuch Dienst tun zu dürfen. Aber nicht nur deshalb sieht PDS-Innenpolitiker Wolf keinen Handlungsbedarf: „Unsere Sorge ist, dass mit dem Kopftuchverbot eine Tür in Richtung neue Kleiderordnung für den öffentlichen Dienst aufgestoßen wird.“ Die Diskussion, welches Kleidungsstück für Amtsträger genehm sei, könne leicht bei einer Schuluniform für Lehrer enden, fürchtet Wolf. Sobald der Gesetzentwurf fertig sei, will die PDS eine öffentliche Debatte mit Experten initiieren.

Die Debatte hat längst begonnen. Nicht nur Sprecher von Migrantengruppen und Religionsgemeinschaften haben Bedenken gegen einen Gesetzesschnellschuss angemeldet. Der Sprecher des Türkischen Bundes, Safter Cinar, wehrt sich dagegen, das Verbot auf das Kopftuch zu beschränken. „Man muss überlegen, ob religiöse Symbole im öffentlichen Dienst grundsätzlich zulässig sind.“ Dazu komme das Problem der Abgrenzung: „Wird das Symbol wirklich aus Gründen der Religiösität getragen, oder weil es gerade Mode oder Kult ist?“ Das Ganze könne leicht zur Gesinnungsschnüffelei werden, ist Cinars Sorge.

„Entweder alle dürfen ihre religiösen Symbole zeigen oder keiner“, meint die Sprecherin der Jüdischen Gemeinde Elisa Klapheck. Sie selbst ist gegen ein Kopftuchverbot. Für viele Frauen sei die Kopfbedeckung Ausdruck von „Stolz“ auf ihre Kultur, sagt Klapheck, die sich im Frauenkreis „Sarah Hagar“ mit Jüdinnen, Musliminnen und Christinnen trifft. Die Frauen müssten selbst ihren Weg zu einem deutschen Islam finden. „Mit einem Kopftuchverbot treibt man sie den Fundamentalisten in die Arme.“

Toleranz ohne Tuch

DGB-Sprecher Dieter Pienkny signalisiert dagegen Zustimmung zum Verbot: „Hier geht es um den Versuch der politischen Einflussnahme von Gruppen, die sich nicht an einer Schule tummeln sollten.“ Hans-Peter Richter, beim katholischen Erzbistum zuständig für Schule, Hochschule und Erziehung, findet: „Religiöse Zeichen in den Schulen müssen sein. Damit wird Toleranz für die Andersartigkeit der Menschen geübt.“ Beim Kopftuch würde er es aber wie Körting halten, denn das Tuch sei Symbol der Frauenunterdrückung. „Bei all dem sehe ich aber die Gefahr, dass das Verbot auch auf die Schülerinnen ausgeweitet werden könnte und sich der laizistische Staat immer mehr durchsetzt.“ Eine strikte Trennung von Kirche und Staat wäre das Letzte, was die katholische Kirche wollen würde.

Genau da liegt laut GEW-Chef Ulrich Thöne der Hund begraben: Nur eine konsequente Trennung von Kirche und Staat könne Klarheit schaffen. Da es diese eindeutige Trennung in Deutschland aber nicht gebe, könne man diese nicht willkürlich beim Kopftuch einfordern.

„Das Ausmaß der religiösen Bezüge in der Schule muss neu bestimmt werden“, fordern auch die Frauen von „Terre des Femmes“, die keine Lehrerinnen mit Kopftuch an Schulen wollen. Aber damit sei das Problem nicht gelöst. Die Politik müsse „Farbe bekennen“ und für nachhaltige Integrationsmaßnahmen und Freiheitsrechte von Migrantinnen eintreten, statt weiter „Pseudotoleranz“ zu predigen.