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Archiv-Artikel

die schlacht um die mülltonnen von RALF SOTSCHECK

Die Sache stinkt zum Himmel. In Finglas im Norden Dublins haben sie seit fast zwei Wochen keinen Müll abgeholt. Katzen und andere weniger possierliche Tiere machen sich über die schwarzen Plastiksäcke her und feiern nachts Abfallgelage. Ein Streik ist diesmal nicht schuld daran. Protestorganisationen haben den Müllwagen den Weg versperrt. Es geht um die Gebühr für die Müllabfuhr. Während der Rest des Landes schon lange zahlen musste, müllten die Dubliner kostenlos – ein Wahlkampfgeschenk der „Soldaten des Schicksals“, wie die Regierungspartei Fianna Fáil heißt.

Doch vor gut zwei Jahren wurde der Nulltarif in der Hauptstadt abgeschafft. Das kümmerte zunächst niemanden, viele zahlten einfach nicht. Doch neuerdings weigert sich die Stadtverwaltung, den Müll der Zahlungsunwilligen abzuholen. Die „Initiative gegen die Müllabfuhrgebühr“ hat sehr zum Missvergnügen der zahlungswilligen Anwohner beschlossen, dass in den betroffenen Vierteln gar kein Müll mehr abgeholt wird. Der sozialistische Abgeordnete Joe Higgins, der an den Blockaden teilnahm, wurde zu einem Monat Gefängnis verurteilt.

Meine Freunde John, Brendan und Joe gehören auch zu den Blockierern. Wir sitzen im „Brian Ború“, einem geräumigen Wirtshaus im Norden Dublins. Das Umweltbewusstsein ist in Irland unterentwickelt, argumentiere ich, und wenn man die Leute nicht zur Kasse bittet, ändert sich nichts. Ein Beispiel sind die Plastiktüten: Seit man eine Steuer von 15 Cent dafür zahlen muss, ist der Gebrauch um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Leider stehe ich mit diesem Argument allein da. John behauptet, er habe das Recht darauf, seine leeren Flaschen kostenlos in die Abfalltonne zu werfen. „Ich habe kein Auto habe“, sagt er, „wie soll ich die Flaschen zum Recycling-Container schleppen?“ Aber er schleppt die vollen Flaschen vom Schnapsladen nach Hause, und der ist viel weiter entfernt als der Glascontainer.

Unsere Debatte bleibt nicht unbemerkt. Im Handumdrehen mischen sich die Gäste von den umliegenden Tischen ein, und schon bald ist der ganze Pub in die Diskussion verwickelt. Es geht es hoch her, ein Müllgebührverweigerer schüttet vor Erregung einem gebührenzahlenden Gast ein Bier über die Hose, und fast kommt es zur Schlägerei. Ich beobachte überrascht, was ich angerichtet habe. Ich komme mir vor wie das grüngesichtige Männchen bei „Streit um Asterix“, das überall Zwietracht sät und dann vergnügt der Keilerei zuschaut. Die Barkeeper haben alle Hände voll zu tun, um die Gemüter zu beruhigen.

Die Stadtverwaltung hat sich nun darauf verlegt, den Müll der Nichtzahler im Bezirk Dublin 4 stehen zu lassen. Es ist das vornehmste Viertel Dublins, die Leute sprechen dort, als hätten sie Murmeln im Mund. Dennoch haben einige die Müllgebühr nicht bezahlt. Die Stadtverwaltung glaubt, dass sich die feine Gesellschaft nicht mit etwas so Gewöhnlichem wie Müll abgibt, geschweige denn die Straßen blockiert. Schließlich wollen die Leute nicht in ihren leeren Champagnerflaschen ersticken.