: „Das Wasser ist so teuer“
Klaus Lipinsky, Chef der Bäderbetriebe, plant ein neues Preissystem und flexiblere Öffnungszeiten. Der Jahrhundertsommer brachte kaum Extragewinn. Jeder Besucher verbraucht Wasser für zwei Euro
Interview PLUTONIA PLARRE und RICHARD ROTHER
taz: Herr Lipinsky, als Chef der Berliner Bäder-Betriebe (BBB) sind Sie bestimmt ein passionierter Schwimmer?
Klaus Lipinsky: Nein.
Wie bitte? Wasser ist nicht Ihr Element?
Ich bin leider völlig unsportlich. Das einzige, was ich mache, ist spazieren gehen, und ab zu ein bisschen Rad fahren.
Hat der Chef der BBB denn wenigstens ein Lieblingsbad?
Da könnte ich natürlich das Prinzenbad sagen (lacht). Nee, im Ernst. Das Prinzenbad, das zusammen mit dem Strandbad Wannsee unser Spitzenreiter bei den Besucherzahlen ist, ist mir schon eines der liebsten. Dort wird es – wie soll ich sagen – nie langweilig.
Die BBB planen ein neues Preissystem. Wie muss man sich das vorstellen?
Mir schwebt vor, dass man an den verschiedenen Standorten – wir haben gute und bessere Schwimmhallen – preisliche Unterschiede macht. In einem weniger guten Bad ohne Komfort kann man für weniger Geld schwimmen. Wenn es vormittags leer ist, wird Baden preiswerter sein als in den Abendstunden, wenn die Berufstätigen kommen.
Und was versprechen Sie sich davon?
Das neue Preissystem soll gestaffelt werden nach Aufenthaltsdauer, Qualität der Bäder und Abhängigkeit von der Tageszeit. Wir wollen so die Spitzenzeiten entlasten und zu einer besseren Ausnutzung der Schwachlastzeiten kommen.
Wie konkret sind die Pläne zur Preisumstellung?
Wir brauchen erst einmal genaue Zahlen. Ausgehend von der Jahresbilanz 2003, die Ende März 2004 vorliegen wird, wollen wir uns angucken, welche Angebote genutzt wurden. Kommen überwiegend Normalzahler oder Ermäßigte, sind es Früh- beziehungsweise Spätschwimmer, nehmen die Einzel-, Zehner- oder 25er-Karten, Familienpass oder Superferienpass?
Jetzt zahlt man in einem Standardbad für eine Stunde schwimmen vier Euro. In Zukunft kostet es nur noch zwei?
Wer weniger nutzt, soll weniger zahlen. Im Schnitt sollen die Preise etwa gleich bleiben, aber gerechter verteilt werden.
Den verbilligten Spättarif wird es dann nicht mehr geben?
Der wäre zum Beispiel vom Standort abhängig. Auch den Einheitstarif wird es nicht mehr geben. Wir wollen in Zukunft ja auch nicht mehr mit Euro, sondern mit Punkten auf einer Chipkarte rechnen – wie beim Skilift.
Wie funktioniert die Chipkarte?
Unser Kassenzugangssystem kommt aus dem alpinen Bereich. Es kann Barcode und Chipkarte lesen. Wir haben es bisher nur nicht genutzt. Sie buchen zum Beispiel 100 Punkte, die in Einheiten von 50- oder 20-Cent-Schritten pro Punkt gestaffelt sein werden. Es ist denkbar, dass wir in Zukunft in Viertelstundenschritten – gleich 50-Cent-Schritten – abrechnen. Dann würden wir bei einer Stunde wieder auf die zwei Euro kommen. Die müssen wir haben, drunter geht nichts, sonst erhöhen wir unser Defizit
Wann kommt die Chipkarte?
Frühestens zur Wintersaison 2004.
Was macht das Schwimmen eigentlich so teuer?
Das Wasser. Der Kunde sieht nur das Schwimmbecken mit dem wunderschönen blauen Wasser, aber nicht die Technik dahinter. Ein 25-Meter-Becken enthält rund eine Million Liter Wasser. Das hat Lebensmittelqualität.
Wie viel Wasser verbraucht ein Gast ungefähr?
Durch die Dusche laufen 20 Liter Wasser pro Minute. Wer fünf Minuten duscht, eine halbe Stunde schwimmt und dann noch mal fünf Minuten duscht verbraucht rund 200 Liter Duschwasser und 50 Liter Beckenwasser, die wir pro Gast austauschen. Macht 250 Liter, die inklusive Abwassergebühren einen Euro kosten. Kalt. Wegen der Legionellenprophylaxe müssen die 200 Liter Duschwasser auf 70 Grad aufgeheizt, gehalten und dann wieder auf 40 Grad runtergemischt werden, auch das Becken wird geheizt. Da kommt locker noch ein Euro dazu, macht zusammen zwei Euro. Die Basiskosten für Instandhaltung der Halle, Personal usw. sind da noch nicht drin.
Wie viele Bäder wird es in fünf Jahren noch geben?
Das kann ich heute noch nicht sagen. Unser Konsolidierungskonzept bestand aus drei Schritten: Der erste war die Reduzierung des Angebots, wir haben elf Bäder geschlossen; der zweite war die Anpassung der Tarife, vor allem der Wegfall der Sechs-Monats-Karte, die unwirtschaftlich war; der dritte Schritt ist die Umstrukturierung der Bäderbetriebe. Das wird zurzeit diskutiert. Wir halten es für sinnvoll, dass Berlin eine landeseigene GmbH gründet, der die Liegenschaften der Bäder übertragen werden. Die Bäderbetriebe bleiben wie heute Pächter.
Was wollen Sie damit erreichen?
Wir können Investoren, die etwa mit uns gemeinsam Shopping-Center oder Fitnessstudios errichten wollen, Rechte an unseren Immobilien anbieten. Dadurch nehmen wir Mittel zur Sanierung der Bäder ein. Besitzer der Immobilien aber bleiben wir, verkauft wird nichts. Wir aber steigern unsere Einnahmen und können so die sinkenden Zuschüsse des Landes ersetzen. Außerdem können wir mit dem Modell langfristig Personalkosten sparen.
Wie? Ihre Leute bleiben doch im Betrieb.
Ja, aber es werden durch die natürliche Fluktuation weniger. Wenn es im Sommer Personal-Engpässe geben sollte, stellen wir Personal auf Zeit oder Leiharbeitnehmer in die neue GmbH ein. Diese Leute sind nicht nur billiger, sondern auch flexibler einsetzbar.
Bei schönem Septemberwetter könnten Sie dann eine Woche länger öffnen?
Das wäre dann kein Thema. Heute muss der Personaldienstplan zwei Wochen vorher feststehen, das schreibt das Dienstrecht vor. Niemand weiß aber Ende August, wie das Wetter Mitte September wird.
Wollen Sie ihre Bäder weiterverpachten?
Wenn es geht, ja. Bei verpachteten Freibädern erzielen wir Einnahmen, ohne Kosten zu haben. Betreiben wir das Freibad selber, kostet es uns mehr, als es einbringt. Weil unser Personal nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes bezahlt wird.
Zur Bilanz: Hat der Jahrhundertsommer zu einem Jahrhundertgeschäft geführt?
Leider nein. Die endgültigen Zahlen liegen zwar noch nicht vor, aber die Besucherzahlen sind grob geschätzt nur unwesentlich höher als in den Jahren zuvor.
Das liegt doch an den saftigen Eintrittspreisen. Die Leute baden lieber in den Seeen, oder?
Das stimmt nicht. Wir sehen das daran, dass die Bäder proppenvoll waren, als die heißen Tage begannen. Danach setzte ein gewisser Übersättigungseffekt ein: Für die einen waren 27 Grad nicht mehr warm genug, um baden zu gehen, für die anderen waren Temperaturen von über 30 Grad zu heiß. Unsere Zahlen wären auch besser, wenn nicht die erste Julihälfte so extrem kühl und nass gewesen wäre.
Was für ein Sommer muss eigentlich kommen, damit die Kasse klingelt?
Das Geschäft war ja nicht schlecht. Zum Beispiel haben wir im Strandbad Wannsee, wo es keine aufwändige Wasseraufbereitung gibt und die Leute wenig duschen, in diesem Jahr erstmals seit fünf Jahren einen Gewinn gemacht.
Das Kreuzberger Prinzenbad fährt auch in einem Supersommer keinen Gewinn ein?
Keine Chance. Mehr Besucher bedeuten ja auch höhere Kosten. Das gute Sommerwetter hat uns bis Ende August in diesem Jahr insgesamt ein Plus von 600.000 Euro gebracht – aber bei 400.000 Euro höheren Kosten. In einem Sommerbad muss man bei erhöhter Sonneneinstrahlung zusätzlich chloren, und viel Wasser verdunstet einfach. Die Kosten für den Besuch eines Standardbades müssten im Schnitt bei acht Euro liegen, wenn man kostendeckend wirtschaften wollte. Schwimmen ist und bleibt ein Zuschussgeschäft.