nebensachen aus brandenburg (10)
: Schiffe und Schilf: Das Havelland

In Brandenburg wird am 19. September ein neuer Landtag gewählt. Die taz stellt bis zur Wahl die 14 Brandenburger Landkreise vor. Heute: Havelland

Reden die Bundespolitiker über Brandenburg, fällt ihnen meist nur dieses ein: leere Städte, schöne Flüsse, versenkte Steuergelder. Der ganze Osten ein Naturpark also?

Reden die Bundespolitiker über das Havelland, stehen sie dagegen stramm. Nicht mehr um Natur geht es da, sondern um ihre Bändigung, nicht mehr um Schilf, sondern um Schiffe. Die Havel nämlich ist eine der Begehrlichkeiten im Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17.

Vom Elbe-Havel-Kanal bei Brandenburg (Havel) bis nach Berlin soll der Flachlandfluss mit seinen seenartigen Erweiterungen zur Rennstrecke ausgebaut werden – für „Großmotorgüterschiffe“ mit einer Länge von 110 Metern. Da fürchten nicht nur Umweltschützer um das größte zusammenhängende Feuchtgebiet Europas an der Unterhavel. Auch die Touristiker schlagen Alarm. Schließlich ist Natur in Brandenburg inzwischen auch ein Wirtschaftsfaktor geworden.

Auch im Landkreis Havelland: „Erleben Sie die einzigartige Flusslandschaft des Havellandes im westlichen Berliner Umland. Unsere wald- und wasserreiche Region lädt Sie zum Wasserwandern, Radfahren, Reiten und Wandern ein. Folgen Sie den Spuren Theodor Fontanes und besichtigen Sie den Birnbaum des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland oder entdecken Sie die preußische Schloss- und Parklandschaft.“ So wirbt der Tourismusverband Havelland in Rathenow inzwischen sogar auf Italienisch. Vor allem der Fluss steht dabei im Vordergrund – im Naturpark Westhavelland, im Havelländischen Luch, in der Landschaft um Werder.

Doch auch für die Verkehrsplaner ist die Havel das A und O. Nur, dass bei all den Ausbaggerungen, Verbreiterungen und Uferbefestigungen nicht mehr viel von ihr übrig bleiben würde. Das haben inzwischen auch die Berliner begriffen. Nicht die Bundespolitiker freilich, sondern die Kommunalpolitiker in Spandau an der Havel. Sie haben sich inzwischen ebenfalls gegen den Havelausbau ausgesprochen.

Das Bezirksamt erwägt inzwischen sogar, gegen den Bundesverkehrswegeplan von 2003 zu klagen. Die Auswirkungen auf Flora und Fauna wären nicht kalkulierbar, sagt Baustadtrat Carsten-Michael Röding (CDU) zur Begründung.

Kalkulierbar ist dagegen die wirtschaftliche Pleite des Verkehrsprojekts. Von den „Großmotorgüterschiffen“, denen zuliebe die Havel für knapp drei Milliarden Euro ausgebaggert werden soll, schippern in Deutschland nur elf Stück über die Flüsse. Doch selbst das lässt die Wasser- und Schifffahrtsämter kalt. Sie müssen schließlich begründen, warum noch immer knapp 18.000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mit dem Wasserbau beschäftigt werden. Beschäftigte der Binnenschifffahrt gibt es dagegen nur halb so viel.

Schauen die Bundespolitiker Fernsehen, dann haben sie vielleicht auch einmal den Polizeiruf mit Ben Becker und Otto Sander gesehen. Das „Wunder von Wustermark“ hieß der, und beschreibt eine ganz eigene Nachwendegeschichte dieses havelländischen Örtchens. Auf dem ausgedehnten Weideland von Wustermark soll nämlich ein Flughafen entstehen. Die Havelländer wittern das Geschäft ihres Lebens und geben als Kleinaktionäre ihr Erspartes. Doch dann stellt sich heraus, dass der Developer ein Betrüger war. Otto Sander und Ben Becker alias Lansky und Dettmann machen sich auf den Weg nach Berlin – als Rächer der Enterbten.

Einen Wasserkrimi hat der Polizeiruf noch nicht gebracht, aber das kann ja noch werden. Das Havelland schreibt schließlich seine eigenen Stories. UWE RADA

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