„Einen Atomtest würde man zugeben“

Nordkorea-Experte Daniel Pinkston über Hintergründe der mysteriösen Explosion in Nordkorea letzte Woche

taz: Nordkoreas Regierung hat gesagt, die mysteriöse Explosion im Norden des Landes mit einer pilzförmigen Wolke sei nicht auf einen Atomtest zurückzuführen, sondern auf die Sprengung eines Berges, um einen Staudamm zu bauen. Wie glaubwürdig klingt das für Sie?

Daniel Pinkston: Derzeit ist das schwierig zu beurteilen. Eine Auswertung der Satellitenbilder sollte ein Urteil darüber erlauben, ob dort tatsächlich ein Staudamm gebaut wird. Ich erwarte, dass schon bald erste Erkenntnisse über diese Analysen durchsickern werden.

Die Provinz Yanggang ist für Ausländer Sperrgebiet. Was für Einrichtungen vermutet man dort?

In dieser abgeschiedenen und bergigen Region soll es zahlreiche unterirdische Munitionsdepots, Raketenbasen und andere Armee-Einrichtungen geben. Erweist sich die offizielle Erklärung, ein Berg sei gesprengt worden, als unglaubwürdig, könnte dies ein Hinweis auf eine Detonation in einer Militäranlage sein.

Würde Nordkorea Atomwaffen in dieser Provinz testen?

So nah an der Grenze zu China, das wäre doch sehr überraschend. Wenn Nordkorea einen Test machen würde, dann würde Pjöngjang nicht schweigen, sondern ihn im Nachhinein bestätigen. Die Propaganda würde das voll ausschlachten, vor allem nach innen. Bisher hat man aber in Nordkorea selber nichts von dieser Explosion verlauten lassen. Ein Atomwaffentest scheint mir noch aus einem anderen Grund unwahrscheinlich: Die USA, von denen sich Nordkorea bedroht fühlt, vermuten, dass Nordkorea mindestens zwei Atombomben besitzt. Ein Test würde an dieser Einschätzung nichts ändern. Hingegen wäre mit heftigen Reaktionen der Nachbarstaaten zu rechnen, und das bringt nichts.

Die Detonation soll sich am 56. Jahrestag der Staatsgründung ereignet zu haben. Im April explodierte ein Zug, kurz nachdem Kim Jong Il den Ort passiert hatte. Sind das Zufälle oder Hinweise auf Sabotage?

Sabotageakte erzielen nur Wirkung, wenn man sie wahrnimmt. Wollte jemand das Land politisch erschüttern, würde er vermutlich die Nähe der Hauptstadt suchen, um einen maximalen Effekt zu erzielen. Das Eisenbahnunglück im April und die Explosion von vergangener Woche ereigneten sich aber in weiter Ferne von Pjöngjang.

Nach Nordkorea muss sich die Internationale Atomenergieagentur IAEA auch mit Südkorea beschäftigen. Nordkorea hat nach den Enthüllungen über deren geheime Atomexperimente beschieden, sein Programm niemals aufzugeben. Sind damit die Verhandlungen mit Pjöngjang faktisch gescheitert?

Die Nordkoreaner werden diese Entwicklung ausnutzen, die Gespräche zu verzögern, vor allem aber abwarten, ob in den USA George Bush wiedergewählt wird. Die direkten Konsequenzen von dem, was in Südkorea vorgefallen ist, wiegen weniger schwer als die indirekten, langfristigen Auswirkungen. Sollten diplomatische Ansätze scheitern, droht ein Rüstungswettlauf in Nordostasien. Und die Länder in dieser Region haben die Fähigkeit, Atomwaffen zu entwickeln.

INTERVIEW: MARCO KAUFMANN