Deutschland spart sich dumm

Unter den Industrienationen fällt die Bundesrepublik bei der Bildung deutlich zurück. Nach neuer OECD-Studie sinkt die Zahl der Hochschulabsolventen, in anderen Ländern steigt sie dagegen

BERLIN taz ■ Deutschland gibt im internationalen Vergleich weniger Geld für Bildung aus als viele Staaten der OECD. Zu diesem Schluss kommt nach Informationen der taz die neue Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick“. Sie wird heute in Berlin vom Bildungskoordinator der OECD, Andreas Schleicher, vorgestellt.

Das Problem der Industrienation Deutschland liegt darin, dass viele Staaten kontinuierlich daran arbeiten, das Bildungs- und Qualifikationsniveau ihrer Menschen anzuheben – insbesondere durch die Ausbildung von mehr Akademikern. Die deutschen Ausgabenzuwächse seit 1995 aber liegen schon bei den Schulen am unteren Ende der Skala, bei den Hochschulen nur im Mittelfeld. „Deutschland und Frankreich“, so heißt es nach Informationen der taz in dem Papier, „waren die einzigen OECD-Länder, in denen die Zahl der Studierenden im Tertiärbereich [künftige Akademiker; die Red.] zurückging.“

Die Studie erfasst und vergleicht nach Kenntnis der taz die Bildungsergebnisse, die Finanzen, die Bildungszugänge und das schulische Umfeld. Dabei gibt es keine spektakulär neuen Einzelergebnisse – aber eine deprimierende Perspektive für das deutsche Bildungswesen. Zugespitzt kommt die Studie „Bildung auf einen Blick“ zu dem Resümee, dass Deutschland seine Begabungsreserven vergeudet. Während etwa in den Sekundarschulen von der fünften bis zur zehnten Klasse deutsche Schüler ungewöhnlich viele Abschlüsse (90 Prozent, in anderen Staaten nur 70 Prozent) erzielen, gelingt es Deutschland dennoch nicht, seine Absolventenzahlen an den Hochschulen zu steigern – weil es zu wenige Abiturienten gibt.

Diese Erkenntnis deckt sich mit den neuen Bilanzen deutscher Experten wie Andrä Wolter vom Hochschulinformationssystem HIS. Wolter sagte der taz, es gebe „ein Defizit an individueller Leistungsgerechtigkeit, das sich innerhalb des Schulsystems kumulativ bis zur Schwelle des Hochschulzugangs aufbaut“.

Wie dramatisch der deutsche Kompetenzverlust ist, machen die OECD-Forscher am Vergleich der Grundschulstudie Iglu und der Pisa-Untersuchung über 15-Jährige fest. Bei den 10-Jährigen gehört Deutschland zur europäischen Topgruppe – bei den 15-Jährigen aber nur noch zum unteren Mittelfeld.

CHRISTIAN FÜLLER

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