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Archiv-Artikel

Pyroshow gegen Fangewalt

betr.: „Die einfache Antwort. Die jüngsten Fan-Krawalle zeigen: Die Ultra-Szene ist in Bewegung“, taz vom 14. 3./15. 3

Die Ultra-Kultur in Deutschland hatte in ihren Anfangsjahren eine gewaltpräventive Wirkung, denn mit ihren Choreografien und Pyro-Shows bot die Ultra-Kultur etlichen erlebnisorientierten Jugendlichen eine Alternative zum Hooliganismus. Jedoch sind in den letzten Jahren die Stadionordnungen erheblich verschärft worden, so dass auch die Freiräume begrenzt wurden, in denen Jugendliche und Heranwachsende ihre Bedürfnisse nach Action jenseits einer expressiven körperlichen Gewalt befriedigen konnten.

Diese restriktiven Sicherheitsvorgaben wirken widersprüchlich, weil sie durch eskalierende Konflikte teilweise die Probleme erzeugen, denen sie entgegentreten sollten. Dadurch, dass gegenüber der aktiven Fanszene verschärfte Disziplinierungsstrategien angewandt werden, nimmt nicht nur das quantitative Ausmaß der Konflikte zwischen Ultras einerseits und Ordnern sowie Polizei andererseits zu. Es erhöht sich auch die „Chance“, dass die betreffenden Fußballfans die Erfahrung eines eskalierten Konflikts mit der Polizei machen. Diese eskalierten Konflikte haben eine sehr negative Dynamik: Erstens begünstigen sie, dass auf der Seite der Ultra-Gruppen Feindbilder von der Polizei entstehen oder sich verfestigen; und zweitens – so ist anzunehmen – werden auch auf polizeilicher Seite negative Stereotype von der aktiven Fanszene erzeugt oder erhärtet. So schaukeln sich Aggressionen und Repressionen auf.

Aggressionen der aktiven Fanszene und Repressionen der Polizei vor Ort hängen miteinander zusammen, ohne dass die beiden Erscheinungen in einer eindeutigen kausalen Beziehung zueinander stünden. Sie sind jedoch von derselben Kontextvariable beeinflusst, eben von jenen Disziplinierungsstrategien, die auf der Ebene der verantwortlichen Sicherheitsexperten beschlossen werden. Das Verbot von Pyro-Shows etwa nehmen viele Mitglieder der aktiven Fanszene als einen schikanierenden Akt von „denen da oben“ wahr. Gleichzeitig muss die Polizei dieses Verbot umsetzen und ist somit zum repressiven Handeln gezwungen. So werden transintentional Rahmenbedingungen geschaffen, unter denen ein Anstieg körperlicher Gewalt rund um Bundesligaspiele begünstigt wird. Fazit: Rauch und Bengalos können Mittel gegen die Gewalt sein – falls sie so verantwortungsbewusst angewandt werden wie in den Gründerjahren der deutschen Ultra-Bewegung! FRANK SCHNEIDER, Hamburg