Aids-Hilfe setzt in NRW auf Prävention

Hilfsorganisation weist Vorwürfe zurück, ungeschützten Sex zu propagieren. Doch während die Zahl der Neuinfektionen insgesamt stabil bleibt, steigt sie gerade bei Schwulen und Drogenabhängigen

DÜSSELDORF taz ■ Die nordrhein-westfälische Aids-Hilfe hat Vorwürfe zurückgewiesen, sie rufe in ihren Broschüren zu ungeschütztem Sex auf. Zwar kämen in Flugblättern des Bundesverbandes, die auch in NRW verteilt werden und sich gezielt an Schwule mit wechselnden Sexualpartnern wenden, auch HIV-infizierte Männer zu Wort, die die Verwendung von Kondomen ablehnten, so Andreas Rau vom Landesvorstand der Aids-Hilfe. Allerdings seien diese Zitate als klare Meinungsäußerung gekennzeichnet. Mediziner der Universität Frankfurt hatten die Broschüren in der am Montag Abend ausgestrahlten ARD-Sendung „Report Mainz“ dagegen als „Aufforderung zum Russischen Roulette“ bezeichnet.

Allerdings setze die Aids-Hilfe nicht auf Aufklärung mit dem „moralischen Zeigefinger“, sagt Rau: Schützen müsse sich jeder selbst. „Ich kann anderen nicht die Verantwortung für den eigenen Schutz aufoktroyieren“, findet Rau – genau deshalb fordere die Aids-Hilfe immer wieder zum Gebrauch von Kondomen auf. Auch sollen die entsprechenden Flyer noch einmal überprüft werden. Allerdings zeigt auch Raus Vorstandskollegin Julia Ellen Schmalz Verständnis für HIV-Positive, die ungeschützten Sex haben: „Es gibt nun mal Gründe für und gegen die Verwendung von Kondomen.“

Dabei wäre Rücksicht für die Partner notwendiger denn je: Die Zahl der HIV-Infizierten steigt gerade unter Schwulen wieder an, während sie mit landesweit rund 450 Fällen jährlich konstant bleiben wird, so Schmalz und Rau gestern in Düsseldorf bei der Vorstellung des Jahresberichts der Aids-Hilfe NRW. Insgesamt haben sich seit 1982 landesweit über 14.000 Menschen infiziert. Knapp 5.000 sind bereits an den Folgen von Aids gestorben.

Auch der Anteil der Drogenabhängigen an den Neuinfektionen stieg im vergangenen Jahr von acht auf zehn Prozent. Nötig sei deshalb eine „gesellschaftliche Normalisierung im Umgang mit der Drogenproblematik“, fordert Rau: „Wir sind der Überzeugung, dass nicht der Drogenkonsum Grund für die soziale Verelendung und die Gefährdung durch Aids ist, sondern die Kriminalisierung von Drogen.“ Die Strafverfolgung Drogenabhängiger müsse beendet werden. Gefährdet seien besonders drogengebrauchende Menschen in Haft: Noch immer verweigere die Justiz die Ausgabe sauberer Spritzen. Leider habe sich die Politik gegen diesen „einfachen und elementaren Präventionsweg“ entschieden, klagt Rau: „Das Menschenrecht auf Unversehrtheit des Lebens muss auch hinter Gittern gelten.“

Schmalz und Rau loben das Gesundheitsministerium: Die im vergangenen Jahr drohenden Mittelkürzungen hätten abgewendet werden können. Vom Gesamtetat der Aids-Hilfe NRW von 4,6 Millionen Euro stellt das Land rund 1,5 Millionen zur Verfügung, 40 Prozent der Mittel fließen aus kommunalen Töpfen. Damit seien allein 2003 etwa 152.000 Menschen zur Prävention erreicht worden, weitere 13.000 Infizierte und Erkrankte unterstützte die Aids-Hilfe durch Beratung und Begleitung.

ANDREAS WYPUTTA