Träume eines Jahrhunderts

Lili Fischer und Georg Jappe präsentieren in ihre Installation „Torfes Träume“,die derzeit im Altonaer Museum zu sehen ist, verschiedenerlei Notizen aus dem Moor

Man hört Vögel zwitschern und Schafe blöken. Man sieht Wasser und steil daraus ragende Felsen. Man hört eine männliche Stimme im Singsang der chinesischen Sprache sprechen. Man sieht chinesische Schriftzeichen, von der Kamera überflogen wie eine Landschaft.

Man liegt auf weißen Matratzen in einem düsteren Raum mit dunkelbraun getäfelten Wänden und schaut einen Film, und man wundert sich. Denn die Ausstellung im Altonaer Museum heißt „Torfes Träume“, und von Moor ist wenig zu sehen. Zwar ist das Haupt auf ein schon etwas bröseliges Torfstück gebettet, doch weite Teile von Lili Fischers und Georg Jappes DVD-Film „Der fließende Turm“, dem Kernstück ihrer neuen Rauminstallation, spielen keineswegs im Moor. Der Film des norddeutschen Künstlerpaars, das sich seit Jahrzehnten mit Fließendem und Fliegendem beschäftigt, zeigt in vier Kapiteln vor allem Wasser, Vögel und Schriftzeichen. Zu Beginn ist die Kamera minutenlang auf die Irische See gerichtet. Dann fragt eine Frau aus dem Off: „Wo wollen wir hin?“

Ja, was wollen wir hier? Einschläfernd wirken diese langsam fließenden Bilder und die dazu gesprochenen Gedichte und Sprachfetzen in oft kaum verständlichen Lauten, die mal chinesisch, mal irisch oder deutsch anmuten. Zeit, aufzustehen und zu prüfen, ob der recht harte Torfklumpen im Genick Spuren auf der hellen Kleidung hinterlassen hat. Nein, hat er nicht. Und natürlich Zeit, um die übrigen Teile der Installation zu betrachten. An zwei gegenüberliegenden Wänden hängen Zeichnungen und Protokolle sowie Skizzen zum Film. Und hier dominieren tatsächlich Moormotive. Lili Fischer hat mit Sepia auf verriebenem Torf „Wuchsformen“ gezeichnet, die auf den Hebriden, im Teufelsmoor und dem Ohmoor vorkommen. Ihre „Wurzel-Torf-Notizen“ künden vom zunächst unsichtbaren Wachsen allen Lebens und von einer tiefen Naturverehrung – nicht nur gegenüber dem Moor.

Georg Jappes Schriftblätter wirken dagegen eher verkopft als geerdet. So erforscht er auf einem Schreibtischblatt die Etymologie von „Fluss“ und reiht Worte wie Flosse, flott, voll und Fühlen in winziger Schrift zu organischen Gebilden aneinander, die an Sequenzen aus dem Film erinnern, etwa an die Form eines Vogelflugs.

Langsam formen sich beim Besucher Assoziationsketten: Das Moor hat auch mit Fließen zu tun, genauer gesagt mit Überfließen. Schließlich entsteht es in Feuchtgebieten mit Wasserüberschuss. Und das Moor hat viel mit Ängsten und Träumen zu tun. Wer allerdings Wissenswertes über das Phänomen Moor und Torf erfahren will, wird enttäuscht. Wohl aber lädt diese Rauminstallation zum Träumen ein. So notiert Georg Jappe auf Packpapier: „Könnte man alle Träume eines Jahrhunderts ans Licht holen und darstellen, die Kunstwerke aller Gattungen wären dagegen ungelenke Notkonstruktionen.“ Karin Liebe

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 17.10.