piwik no script img

Archiv-Artikel

Lara lange nicht zum Arzt gebracht

Die Mutter des toten Babys erklärt, Vorsorgeuntersuchungen versäumt zu haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Eltern und die Familienhelferin. Geprüft werden soll auch, ob das betreuende Rauhe Haus Fehler machte

Neue Verwirrung im Fall des toten Babys Lara. In einem Interview, das am Mittwochabend ausgestrahlt werden sollte, erklärt die Mutter des toten Babys laut Ankündigung des NDR, sie habe die letzten Vorsorgeuntersuchungen für ihr Kind nicht wahrgenommen. Auch wisse sie nicht, wann sie zuletzt beim Kinderarzt gewesen sei. Bislang hatte es aus Bezirkskreisen geheißen, die Betreuerin habe darauf geachtet, dass diese Termine wahrgenommen wurden. Einer Überprüfung stellt sich nun auch das Rauhe Haus, von dem die Familie betreut worden war.

Das gelbe Untersuchungsheft, in dem die so genannten „U“-Untersuchungen dokumentiert sind, wurde beschlagnahmt und liegt bei der Staatsanwaltschaft. Zuletzt hätte Lara zur „U 5“ beim Kinderarzt vorgeführt werden müssen. Diese steht zwischen dem sechsten und siebten Monat an, das wäre im Oktober oder November 2008 gewesen.

Der Sprecher des Rauhen Hauses, Uwe Mann van Velzen, konnte gestern zur Frage nach den Us nichts sagen: Die Betreuerin mache von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. „Grundsätzlich hätte sie in ihrem Status als Familienhelferin nicht das Recht, sich das Heft zeigen zu lassen“, sagt Mann van Velzen. Anders wäre das, wenn die Frau gemäß Paragraf 8a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes beauftragt gewesen wäre.

Das Rauhe Haus selbst soll nun von einem unabhängigen Gutachter geprüft werden: Man sehe sich in der Pflicht, „die Verantwortlichkeiten und möglichen Schwachstellen“ zu prüfen, so Mann van Velzen. Beauftragt wurde der frühere Finanzstaatsrat Detlef Gottschalk (CDU).

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren sowohl gegen die Eltern als auch gegen die Betreuerin eingeleitet. „Gegen die Eltern prüfen wir den Verdacht des Totschlags durch Unterlassen“, erklärte Sprecher Wilhelm Möllers. „Eltern haben eine besondere Schutzpflicht gegenüber dem Kind. Wenn man etwas nicht tut, steht es einem Handeln gleich.“ Gegen die Betreuerin prüfe man den Verdacht der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen. Möllers zufolge heißt das noch nicht, dass es auch zur Anklage kommt.

Der Fall wird heute den Jugendausschuss der Bürgerschaft beschäftigen. Sollte bei dem Kind die U 5 versäumt worden sein, wäre das ein Politikum: Die SPD fordert seit Jahren, alle Kinderarzttermine von der U 1 bis zur U 9 verbindlich zu machen. CDU und GAL planen das zurzeit nur für die Untersuchungen 6 und 7. KAIJA KUTTER