: Schöner Mann, was nun?
Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ suchte den deutschen Barack Obama – und fand den Hamburger SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Bülent Ciftlik. „Zum Niederknien“ sei der aparte Politiker. Die Partei findet den Artikel gar nicht amüsant, sondern frauenfeindlich
VON UTA GENSICHEN
Viele Dinge können sexy sein: Unterwäsche zum Beispiel oder ein aufreizender Blick. Mancherorts wird sogar Berlin für sexy gehalten. Bei Politikern sieht die Sache anders aus. Die lebenden Exemplare sind entweder zu dick, zu unglaubwürdig oder zu schlecht angezogen, um Sexyness auszustrahlen. Deutschlands bekannteste Frauen- und Rezeptezeitschrift Brigitte behauptete in der Februar-Ausgabe Nr. 6 jedoch, Politiker mit Sex-Appeal gefunden zu haben. Gesucht wurde der deutsche Obama – sozusagen die deutsche Ausgabe des laut Brigitte „derart scharfen Präsidenten“.
Ausgewählt wurden sechs – zugegeben: recht fotogene – Politiker aus Bayern, dem Saarland, Berlin und Hamburg. Der Hanseat, es handelt sich um den Sprecher der Elb-SPD, Bülent Ciftlik, ist eindeutig der Favorit der Redaktion: Er bekommt als einziger eine ganze Seite. Auf den Fotos sieht die Betrachterin zwar nicht viel – die Herren bleiben angezogen – doch verraten die kurzen Kommentare der Autorin dafür umso mehr. Und die sind es denn auch, die unter den ParteikollegInnen des SPD-Politikers Ciftlik für Bewegung sorgen. Nicht etwa, weil Ciftliks politische Kompetenzen infrage gestellt werden, rumort es in der Partei-Zentrale. Schlimmer noch: Die Autorin lässt den Politiker Politiker sein und betrachtet ausschließlich die körperlichen Vorzüge des 36-Jährigen.
Der Sohn türkischer Einwanderer könne glatt mit Frauenschwarm Jean-Paul Belmondo verglichen werden und seine grauen Strähnchen zeugten von Reife und Lebenserfahrung. Und obwohl es sich in einer Demokratie nicht schicke, sei Ciftlik einfach „zum Niederknien“. Wählen würde die Brigitte-Autorin den Bürgerschaftsabgeordneten allerdings nur, wenn sie im Gegenzug einen Ciftlik-Starschnitt für ihre Schlafzimmerwand bekäme. Das soll er also sein, der Barack Obama von Hamburg.
Er selbst gibt sich etwas wortkarg. „Ich habe darüber geschmunzelt“, sagt Bülent Ciftlik knapp. Und frauenfeindlich sei der Text ja schließlich auch nicht. Obwohl die Autorin mit ihrem Text doch ein ganz bestimmtes Frauenbild skizziere. Welches Dilemma! Schreiben männliche Journalisten über das Dekolleté der deutschen Kanzlerin oder über die Oberarme der amerikanischen Präsidentengattin, ist das frauenfeindlich. Schreiben allerdings Frauen über männliche Politiker mit Sex-Appeal ist das – auch frauenfeindlich. Laut der Tageszeitung Die Welt soll dieser offene Sexismus für Ciftlik sogar Folgen haben: So habe der Hamburger SPD-Betriebsrat den Politiker zu einem klärenden Gespräch geladen. Der guten Sache der Partei sei mit der sexistischen Geschichte geschadet worden, für die er sich hergegeben habe.
„Natürlich hat der Artikel für Gesprächsstoff gesorgt“, sagt Jörg Schmoll vom Betriebsrat. Ein klärendes Gespräch habe jedoch nicht gegeben. „Es wird Bülent Ciftlik nichts vorgeworfen.“ Einen Vorwurf äußert Schmoll aber dann doch noch: „Sollten sich Frauen auf diese Ebene bewegen und das machen, was sie Männern immer vorwerfen?“ Das hätten Frauen nicht nötig.
Vielleicht ist es im Gegenteil höchste Zeit, dass so etwas passiert. Der in Hamburger Tageszeitungen schon lange als „Barack Obama von Altona“ bezeichnete Bülent Ciftlik mutiert dabei dank Brigitte zu einer Art Michelle Obama. Ähnlich wie deren durchtrainierter Bizeps für Schlagzeilen sorgte, hängen die Augen der Brigitte-Leserinnen an körperlichen Details wie Ciftliks „vollen Lippen“.
In der Frauenmedienlandschaft ist das neu. Die Kritik von Männerseite allerdings erstaunt doch: Bislang schauen Boulevardblätter den Politikerinnen immer noch zuerst in ihren Ausschnitt, dann auf Frisur und Kostüm – und zuletzt auf ihre Arbeit. Beispiele dafür gibt es viel zu viele. Als die ehemalige Farc-Geisel und kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt einen ihrer ersten öffentlichen Auftritte nach der Befreiung hatte, titelte Bild: „Schön wie die Bruni!“
Andere Zeitungen nannten die bayerische CSU-Abweichlerin Gabriele Pauli eine „schöne Landrätin“, die sächsische Linkspolitikerin Julia Bonk ist die „rote Schönheit im Landtag“, und halb Frankreich rätselt seit Monaten, wer die „glamouröse Justizministerin“ Rachida Dati geschwängert hat. Warum dann also nicht auch mal den aparten Lokalpolitiker Ciftlik mit einem Frauenschwarm der 60er Jahre vergleichen?
Doch tun sie es, sind die betreffenden Journalistinnen Nestbeschmutzerinnen, ja Sexistinnen. Deshalb kritisiert die Hamburger SPD an dem Starschnitt-Vergleich auch nicht die oberflächliche Sichtweise und die Reduktion auf den männlichen Körper. Sie stört sich vielmehr daran, dass das weibliche Auge als genauso lustbetont und eindimensional wie das männliche dargestellt wird.
Das gerne – auch von Feministinnen – propagierte Frauenbild aber sieht anders aus. Demnach seien Frauen tiefgründiger und weniger sexorientiert als Männer. Die von der Brigitte gewählten Worte dürfen also gar nicht wahr sein. Und sind sie es doch, ist man in der Hamburger SPD empört.