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Archiv-Artikel

Bremen will die Stadtwerke nicht zurück

Der Bremer Senat will sein Vorkaufsrecht für 51 Prozent der Anteile an den jüngst privatisierten Stadtwerken SWB wahrnehmen – aber nur, um die Anteile möglichst schnell weiter zu veräußern. Reine „Finanzinvestoren“ sollen so ferngehalten werden

HAMBURG ZEIGT ’NE HARKE

Der schwarz-grüne Hamburger Senat hat in seinem Koalitionsvertrag beschlossen, Stadtwerke zu gründen. Ziel ist die Versorgung der Stadt mit klimafreundlicher Energie. Im zweiten Quartal soll das städtische Wasser- und Abwasserunternehmen „Hamburg Wasser“ ein Konzept vorlegen, wie ein solches Unternehmen aussehen könnte, das neben Wasser auch Strom und Wärme liefert. Schon in diesem Jahr soll Strom angeboten werden, der nicht aus Kohle- oder Atomkraftwerken stammt. Nach dem Auslaufen der Konzessionsverträge soll das Unternehmen ab 2013 die Netze für Gas und Fernwärme von den Unternehmen Eon Hanse und Vattenfall zurückkaufen. Das neue Angebot soll mit möglichst viel Kraft-Wärme-Kopplung verbunden werden. Mit den Stadtwerken korrigiert der Senat Entscheidungen, die nicht lange zurück liegen. Hein Gas und die Hamburgischen Elektrizitätswerke sind in den Jahren 2000 und 2002 privatisiert worden.  KNÖ

AUS BREMEN KLAUS WOLSCHNER

„Eine Rekommunalisierung wird es an dieser Stelle nicht geben“, so klar äußerte sich der Bremer Grünen-Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner gestern in der Debatte der Bremischen Bürgerschaft zum Thema kommunale Energieversorgung. 51 Prozent der Anteile an den Bremer Stadtwerken (SWB) waren im Jahre 2000 an den holländischen Energieversorger Essent verkauft worden – im Vertrag steht ein Vorkaufsrecht für den Fall, dass Essent seine Anteile abstoßen will. Dieser Fall tritt jetzt ein – bis zum 6. April läuft die „Andienungsfrist“, die dem Bremer Senat eingeräumt wurde. Von einem Unternehmenswert bei 700 Millionen Euro ist die Rede.

Anteilseigner an der Essent sind nicht Finanzinvestoren oder die großen europäischen Energiekonzerne, sondern vor allem niederländische Kommunen – Bremen sah damals seine Anteile dort in guten Händen. Denn die Hansestadt ist stolz auf ihre hohe Eigenproduktionsquote beim Strom, und Kraftwerke bedeuten Arbeitsplätze. Nicht nur der Betriebsrat, auch die rot-grüne Koalition in Bremen hat also großes Interesse daran, dass der kommunale Betrieb nicht in die Hände einer der großen Energiekonzerne fällt, die eventuell die lokale Produktion durch ihre Atomstrom-Überkapazitäten ersetzen würden.

Nun wollen die holländischen Kommunen ihre Anteile versilbern – das höchste Gebot hat ausgerechnet die RWE abgegeben. Weil das Kartellamt Bedenken wegen des erdrückenden kommunalen Einflusses des RWE-Konzerns hat, will Essent vorher seine Bremer Anteile abstoßen. Der Bremer Senat will sein Vorkaufsrecht wahrnehmen, das betonte in der Bürgerschaftsdebatte auch Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne), jedoch nicht, um selbst wieder Eigentümerin zu werden. Die politischen Ziele der bremischen Energiepolitik, so betonte sie, ließen sich hinreichend durch Konsortialverträge sichern. Bremen hat großes Interesse daran, dass der Steuersitz des Unternehmens in der Hansestadt bleibt, dass die Arbeitsplätze so weit als möglich erhalten bleiben und dass die energiepolitischen Ziele des rot-grünen Senats unterstützt werden. Als die SWB vor zwei Jahren den Bau eines großen Kohlekraftwerkes in Bremen planten, da wäre die rot-grüne Koalition beinahe daran gescheitert. Die Grünen hatten ihren Wahlkampf mit Ablehnung solcher Pläne gewonnen, die Kraftwerke-Belegschaft demonstrierte vor der grünen Parteizentrale und setzte die SPD unter Genossen-Druck. Auch weil sie solche Szenen nicht wieder erleben wollen, haben die Grünen keine Lust auf staatliche Anteile. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Sieling begründete die ablehnende Haltung mit der Struktur des Energie-Marktes, der wenig Spielraum für wirklich kommunale Gestaltung lasse. Hinzu kommt natürlich, dass Bremen angesichts seiner Finanzlage schlecht erklären könnte, woher dreistellige Millionen-Summen für den Rückkauf des Aktienpaketes genommen werden sollten.

Die steuerlich relevante Frage des Unternehmenssitzes hat in Bremen einen konkreten Hintergrund: Die im nahen Oldenburg ansässige EWE hält derzeit schon 49 Prozent der Anteile und verhandelt mit dem Bremer Senat um mehr. Schon bei der „NordCom“, der Telefon-Tochter der SWB, dauerte es nach der Übernahme durch die EWE-Telefontochter nur wenige Monate, bis „Synergieeffekte“ ausgenutzt und die Bremer Gesellschaft geschluckt wurde – „NordCom“ wurde zur reinen „Marke“ degradiert. An der EWE hält zudem die Baden-Württembergische EnBW Anteile, niemand kann voraussagen, wann die niedersächsischen Kommunen, die die Mehrheit der EWE besitzen, ihre Anteile meistbietend auf den Markt werfen – wie die niederländischen Kommunen. „Nicht an die EWE verkaufen!“ forderte darum der Bremer Wirtschafts-Professor Rudolf Hickel.

Aber die EWE ist ein wichtiger Sponsor von Werder Bremen und baut gerade in Bremen direkt an der Weser einen „Tower“ als Verwaltungshochhaus – sie würde es sicherlich als unfreundlichen Akt ansehen, wenn der Bremer Senat ihr nicht zur Mehrheit verhelfen würde.