: Gegenwartskunst für den Liebhaber
Auf Schloss Duchcov verbrachte Giacomo Casanova seinen Lebensabend. Eine Kunstausstellung erinnert dort an ihn
„Unser Ziel ist es“, sagt Burkhard Brunn, „den Namen Dux im öffentlichen Bewusstsein wieder mit dem Namen Giacomo Casanova zu verschränken. Und zwar international.“ Aus diesem Grund hat der Kurator deutsche Gegenwartskunst in die tschechische Kleinstadt Duchcov (Dux) gebracht. Sie soll an den legendären italienischen Exilanten Casanova erinnern, der hier zu Füßen des Erzgebirges von 1785 bis 1798 seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Eine solche Aufwertung hat der fast vergessene Ort durchaus verdient. Nachdem der böhmische Ort in den 70er-Jahren, anders als das benachbarte Most, der Liquidation durch den Braunkohleabbau entkam, fristet er heute ein klägliches Dasein zwischen Arbeitslosigkeit und Verödung. Hier sind touristische und kulturelle Konzepte gefragt. Und da sich Casanovas vormaliger Zufluchtsort, das Schloss des Grafen Waldstein, nahtlos in die Perlenschnur böhmischer Adelspaläste einreihen darf, liegt dessen Ausbau zum Besuchermagnet nahe.
Je nachdem, wie gerade die Fördergelder eingehen, wird das Schloß nun schrittweise renoviert: ein Teil des Daches hebt sich bereits rotgeziegelt von den alten Holzschindeln ab, und der Festsaal sowie ein Wohntrakt sind bereits besucherfein hergerichtet.
Zu den zugänglich gemachten Räumen gehört natürlich jenes Zimmer, in dem der große Literat und serielle Liebhaber das Zeitliche segnete – ausgewiesen durch eine künstliche Rose auf der Sitzfläche des angeblichen Sterbesessels. In unmittelbarer Nähe, genau unter den noblen Gemächern, befinden sich die Ausstellungsräume, in denen Burkhard Brunn sein „Buon Giorno, Casanova“ eingerichtet hat.
Da es dem Frankfurter Soziologen um eine allgemeine kulturelle Belebung des Standortes Dux zu tun ist, hat er sich nicht lange mit thematischen Überlegungen oder gar ortsbezogenen Konzepten aufgehalten.
Betrachter von Regieausstellungen dürfte diese Melange ein wenig ratlos machen: zehn deutsche Künstler, meist aus dem Frankfurter Raum, illustrieren zunächst einmal die persönlichen Vorlieben des Kurators und treten so etwas unvermittelt als Kunstbotschafter in der tschechischen Provinz auf. Ungewollt ironisieren Herbert Warmuths Flaggenbilder diesen Anspruch, indem sie in die etwas absurde Konstellation zwischen Italien, Böhmen und Deutschland die französische, die spanische und einige Camouflage-Fahnen platzieren. Warmuth besticht mit der stofflichen Perfektion seiner Trompe-l’OEils und leitet damit zu Andreas Exners soft sculptures aus monochrom verriegelten Kleidungsstücken über.
Ebenfalls bar jeglicher Öffnungen versammeln sich Vasenensembles von Dieter Froelich in der Mitte des ehemaligen Reitstalls. Sie verweisen prototypisch auf ihre artig mit Streublümchen bemalte Verwandtschaft in den Vitrinen des kleinen Museumsshops. Antje Schiffers’ minutiöse Pflanzenzeichnungen schließen sich an und erinnern zunächst an botanische Werke des Frühbarock. Sie sind Zeugnisse eines Langzeitprojektes mit mexikanischen Indios, in dessen Verlauf sich Schiffers als Lernende und behutsame Ambassadeurin von Kunst zugleich verstand.
Als Botschaft eines begabten Malers könnte der Beitrag des einzigen tschechischen Teilnehmers Michal Pechoucek leicht missverstanden werden. Doch seine Videoarbeit „Sammler“ enthüllt weit mehr als handwerkliche Finesse. Die Leinwände müssen sich im Atelier des Künstlers stapeln – in einem Land, wo weder Kunstmarkt noch Galerienszene florieren, wird der Künstler zum eigenen Sammler. Pechoucek schichtet unermüdlich seine Werke um und lässt dabei immer neue Narrative, darunter höchst beklemmende Szenen à la Hitchcock entdecken.
Damit korrespondiert perfekt und höchst kunstfern die wahrhaft gruselige Installation eines Casanovas aus Pappmaché im Schlossmuseum darüber. Als Höhepunkt der Führung erscheint der Maestro plötzlich rot beleuchtet hinter einem beweglichen Bibliotheksregal und wurde zur Vernissage höchstens noch von Sandra Kranichs opulentem Feuerwerk übertroffen: „Buon Giorno, Casanova“.
In wahrhaft barockem Geist ließ die Pyrokünstlerin grüne und rosa Arabesken in den Himmel über Dux schießen. Der festverwöhnte Venezianer hätte daran seine helle Freude gehabt. Zum Schlummern wird sein Geist ohnehin nicht mehr kommen – denn nach den Plänen von Burkhard Brunn soll hier jetzt alljährlich Kunst stattfinden.
SUSANNE ALTMANN
Ausstellung bis zum 30.10. im Schloss Duchcov (bei Teplice/im Erzgebirge)