Gleichmacherei schafft Eliten

Neue OECD-Studie zeigt den Bildungsrückstand deutscher Schulen auf. Gründe liegen bei veraltetem System und zu geringen Investitionen. Ministerin Bulmahn für „Gemeinschaftsschule“

BERLIN taz ■ Die Diskussion um die dreigliedrige Schule hat begonnen. Nachdem die OECD gestern in ihrer Studie „Bildung auf einen Blick“ erneut gezeigt hat, wie groß der Rückstand des deutschen Bildungssystems international ist, wird der Ruf nach Abschaffung der Schulformen lauter. „Die scharfe Trennung in Gymnasium, Real- und Hauptschule ist nicht entwicklungsfähig“, sagte die Direktorin des Instituts für Arbeitsmarktforschung der Bundesagentur, Jutta Allmendinger, im taz-Interview.

Die OECD zeigt in ihrem jährlichen Ergebnisbericht aller Bildungssektoren zwar, dass Deutschland Anstrengungen unternommen hat. Bei wichtigen Indikatoren fällt das Land aber weiter zurück – etwa den Bildungsinvestitionen, wo Deutschland von Platz 10 auf Platz 15 abgerutscht ist. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) forderte die Länder auf, ihre Ausgaben zu erhöhen. Sie ergriff zugleich offen Partei für eine „Gemeinschaftsschule“.

„In Wahrheit hat Deutschland eine siebengliedrige Schule“, mokierte sich Bulmahn über den institutionellen Wirrwarr deutscher Schulen und forderte, künftig die Schüler möglichst lange zusammenzuhalten. Andere Länder zeigten, dass es den von Deutschen stets befürchteten Widerspruch zwischen Masse und Klasse nicht geben müsse.

Die Kultusminister reagierten konsterniert auf die Studie. Doris Ahnen, KMK-Präsidentin, meinte, sie könne sich die Fundamentalkritik der OECD nicht erklären. Ihre einflussreiche CDU-Kollegin Annette Schavan bat, das „Schlechtreden von Bildung“ zu beenden. KMK-Generalsekretär Thies drohte dem Autor der Studie, OECD-Bildungskoordinator Andreas Schleicher, gar Konsequenzen an.

Ungewöhnlich scharf kritisierte die Bildungsgewerkschaft GEW die Reformbemühungen seit der Pisa-Studie. „Es fehlt ein gemeinsames Konzept zwischen Bund und Ländern, wo das Bildungssystem in zehn Jahren stehen soll“, sagte GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange. „Die Kleinstaaterei der Länder beschleunigt den weiteren Abstieg Deutschlands“, warnte sie.

Die Arbeitsmarktforscherin Jutta Allmendinger ging in ihrer Kritik noch weiter. Sie sagte: „Ich finde, man muss jedes einzelne Bundesland in der Föderalismuskommission vorladen.“ Dort sollten die Länder Rechenschaft über die Erfolge ihrer Schulen ablegen. „Das gegliederte Schulsystem sortiert zu viele aus“, sagte sie. CHRISTIAN FÜLLER

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