Größenwahn unterm Hammer

Im brandenburgischen Brand werden die Überbleibsel des Luftschiffbauers CargoLifter versteigert. Das Unternehmen gingim Juni Pleite, 290 Angestellte haben drei Jahre lang nichts produziert. Das allerdings bewarb man mit großem Aufwand

aus Brand DANIEL SCHULZ

Brand ist leer. Das Bahnhofshaus ist alt und aus Backstein – ohne Gardinen, die Fenster blind vor Staub. Eine Pflasterstraße führt an einem Hühnergatter vorbei in den Wald. Zwischen den Bäumen schimmert silbern eine riesige Kuppel, ein Metalltor versperrt den Weg. Zwei Männer in schwarzer Uniform bewachen die Reste der Luftschiff-Firma CargoLifter: die 107 Meter hohe Werkhalle, hunderte Computer und Schreibtische und das Testluftschiff Joey.

CargoLifter wollte mit Transportzeppelinen Geld verdienen, Experten und Politiker nannten dies revolutionär. Seit Juni steht fest: Die Firma ist pleite, hat 120 Millionen Euro Schulden. Die Reste werden seit Mittwoch versteigert. „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“, ruft Christoph Sattler und hat soeben Joey für 13.000 Euro verkauft. Der Klein-Zeppelin geht an eine Firma aus Malaysia, deren Chef gar nicht weiß, was er damit will. „Das ist der Ausverkauf der deutschen Zeppelin-Idee“, knurrt ein älterer Herr, aber das kenne man ja von den Amis und der Hindenburg.

Na ja. Schuld an der CargoLifter-Misere ist die Firma selbst. „Völlig unsinnige Planung“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. „Bauen eine Werkhalle für knapp 80 Millionen Euro bevor auch nur ein Zeppelin konstruiert worden ist.“ Exvorstand Wolfgang Schneider rumpelte einmal, alles sei ein größenwahnsinniges „Jugend forscht“-Projekt gewesen. Ein Ingenieur stimmt ihm zu: „Vieles wurde nie gelöst, der Lastenausgleich zum Beispiel.“ Hätte ein Zeppelin mehrere Tonnen Last abgeladen, wäre er in den Himmel geschossen. „Als Gegengewicht war Wasser im Gespräch, aber das kann man nicht einfach überall abkippen, wenn der Ballon lädt.“

Für Insolvenzverwalter Rolf-Dieter Mönning ist CargoLifter ein einmaliger Fall. Knapp 2.000 Firmen hat er abgewickelt. „Aber erstmals gibt es weder Produkt noch Absatz, dafür die größte freitragende Halle der Welt“, spöttelt Mönning. „290 Leute in der Produktion haben nichts hergestellt.“ Selbst die beiden Testzeppeline seien woanders gebaut worden. „Dafür gab es eine PR-Maschine, die alles als Erfolg verkaufte. Und jeder hat es geglaubt.“

1,9 Millionen soll die Auktion bringen, lange nicht genug, um die Schulden zu decken. Und selbst diese Summe ist fraglich. Denn kaum jemand interessiert sich für die Spezialgeräte. Gekämpft wird lediglich um Schreibtische und Computer. „Ich richte die Firma neu ein“, sagt ein schmaler Herr aus Bayern. „Ich nehm alles mit, was geht.“ Viel Geld kommt mit Laptops aber nicht rein.

Unklar ist, ob CargoLifter-Ideen verkauft werden. Exvorstand Schneider sichtet Patente und Zeichnungen. Insolvenzverwalter Mölling verhandelt mit einem europäischen und einem amerikanischen Unternehmen. In sechs Wochen steht fest, ob die beiden Firmen in Cottbus Luftschiffe bauen. Die Produktionshalle in Brand hat unterdessen ein malaiisch-britisches Unternehmen für knapp 18 Millionen Euro gekauft. Es will Ende 2004 den größten überdachten Regenwald der Welt pflanzen, Hotels sind geplant. 500 Menschen sollen dort arbeiten und Touristen kommen – zum einsamen Bahnhof von Brand.