: Kampf gegen Kredithaie
Arbeitslosigkeit und soziale Probleme drängen immer mehr Menschen in die Schuldenfalle. Zunahme der Insolvenzberatungen um 34 Prozent
VON ULLA JASPER
Wenn die private Verschuldung immer weiter ansteigt und der Verlust der Arbeit oder soziale und gesundheitliche Probleme die Situation ausweglos erscheinen lassen, wenden sich immer mehr Betroffene an Schuldnerberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände oder der Verbraucherberatung. Der Caritasverband der Diözese Münster vermeldet für das Jahr 2004 einen Anstieg der Insolvenzberatungen um 34 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr und hat deshalb angekündigt, verstärkt Gruppen- sowie Telefonberatungen anzubieten, um „den Ansturm an Schuldnern“ aufzufangen.
„Wir wollen damit zumindest erreichen, dass die Wartelisten nicht noch länger werden“, so Bernhard Hülsken, Referent des Caritasverbands. Bereits jetzt liege die Wartezeit für ein persönliches Beratungsgespräch bei bis zu neun Monaten. Einige Beratungsstellen hätten bereits sehr gute Erfahrungen mit Gruppengesprächen gemacht. „Bis zu 70 Prozent der Eingeladenen kommen. Das zeigt einerseits, wie groß der Druck ist, andererseits aber auch, dass die Hemmschwelle gesunken ist, offen über die Verschuldung zu reden“, so Hülsken.
Der Caritas-Berater räumt allerdings ein, dass für viele der mehr als 700.000 Menschen, die in NRW nach Angaben des Sozialministeriums als verschuldet gelten, eine langfristige Einzelberatung notwendig ist. Denn nach Angaben der Caritas Münster steht der durchschnittliche Klient, der eine Beratung aufsucht, mit rund 15.000 Euro in der Kreide. „Es ist heute eine Ausnahme, wenn ein Schuldner nur ein oder zwei Gläubiger zu bedienen hat. In der Regel sind es eher fünf bis zehn“, beschreibt Hülsken die Situation vieler Klienten. In diesen Fällen bleibe den Schuldnern dann meist kein anderer Ausweg als die private Insolvenz, die seit 1998 möglich ist. In einem gerichtlich geregelten Verfahren trägt der Schuldner in einer siebenjährigen „Wohlverhaltensperiode“ einen möglichst großen Teil seiner Schulden ab, vom Rest wird er dann befreit. „Damit können die Leute dann nach einigen Jahren wenigstens wieder bei null anfangen“, erklärt Hülsken.
Für Besorgnis erregend halten die Sozialarbeiter den Trend, dass immer mehr Jugendliche in die Schuldenfalle hineingeraten. „Wenn Jugendliche eine monatliche Handyrechnung über 300 Euro bekommen, dann summiert sich das schnell zu einem Schuldenberg, den sie selbst nicht bewältigen können“, sagt der Berater. Gerade bei dieser Zielgruppe sei es notwendig, präventive Maßnahmen anzubieten, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu vermitteln.
Hauptgründe für die Verschuldung seien aber in den meisten Fällen Arbeitslosigkeit, Scheidung und gesundheitliche oder soziale Probleme der Betroffenen. „Die Arbeitslosigkeit kann vielleicht eine Weile überbrückt werden, aber irgendwann geraten dann viele Menschen in eine Schuldenspirale“, erklärt Roland Dingerkus, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Er berichtet von dem Fall eines Klienten, der noch bis vor kurzem als Angestellter der EU in Brüssel ein Monatseinkommen von rund 5.000 Euro hatte, sich dann aber selbständig machte und damit gescheitert sei. „Gescheiterte Selbständigkeit“ sei vielfach der Beginn für private Schuldenprobleme, so Dingerkus: „Oft sind die Leute in ihrem Fach Spitze, haben aber keinen Draht zu Zahlen, Finanzmanagement und Controlling.“
Die Schuldnerberater befürchten, dass sich die Situation in den kommenden Jahren weiter verschärft. Empfänger von Arbeitslosengeld-II seien kaum noch in der Lage, Schulden zu tilgen, so Hülsken. Gleichzeitig habe die Reform der Sozialgesetzgebung dazu geführt, dass immer weniger Menschen einen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung hätten.