Kuckense mal auf Bremens Leinwand
: Das 10. Queerfilm-Festival in Bremen

So gut gefüllt wie in den nächsten Tagen sind die Sitzreihen im Kino 46 selten. Seit zehn Jahren werden auf den Bremer Queerfilm-Festivals dort Filme für ein schwules und lesbisches Publikum gezeigt, und dieses wird auch diesmal wieder strömen.

Filmisch gesehen hat sich in zehn Jahren dagegen einiges geändert. Waren Streifen aus dem schwullesbischen Kontext in den 90ern noch extrem marginal und wurden entsprechend selten gezeigt, sind sie heute zum Teil schon dem Mainstream zugeflossen und auch von anderen Festivals begehrt.

Für kleine Festivals wie das Bremer hat dieser Erfolg auch seine Schattenseiten, sagt Christine Rüffert vom Kommunalkino, die das Festival seit seinen Anfängen organisatorisch betreut: „Früher wurden einem die Füße geküsst, wenn man einen kleinen Indie-Film zeigte, heute soll man 1.000 Dollar Aufführungsgebühr zahlen.“ Auf der anderen Seite bekommt das Festival seit zwei Jahren von der Nordmedia 8.000 Euro. Damit konnte es sich in diesem Jahr 19 Erstaufführungen und 18 Gäste leisten. Samt einer Buchpräsentation mit Videofilmschau, einer Photoausstellung (mit dem sinnigen Titel „Fuck Gender“), dem Live-Auftritt der Bremer All-Boy-Girlgroup „Sissy Boyz“ und einer großen Saturday-Night-Party im Schlachthof – das Programm von Dienstag bis Sonntag ist prall und prächtig.

Für ein gewachsenes Selbstbewusstsein bei schwulen und lesbischen FilmemacherInnen spricht auch, dass sie sich nun an Genres herantrauen, die sie dann gegen den sonst herrschenden heterosexuellen Strich bürsten: „Girl King“ von Ileana Pietrobruno etwa ist ein trashiger Drag-King-Piratenfilm, „Robin’s Hood“ eine lesbische Gangsterballade: „Haut, Action, Revolver und Motoräder“ verspricht der Flyer.

Selbst im Prime-Time-Fernsehprogramm ist der verqueerte Film inzwischen angekommen – zumindest in Großbritannien. Dort produzierte die BBC mit großem Aufwand den Historienmehrteiler „Tipping The Velvet“ nach einem Roman von Sarah Waters: Ein Austernmädchen macht in der spätviktorianischen Gesellschaft als Herrenimitatorin Karriere und endet als Lust-Sklavin.

Vielleicht am erstaunlichsten ist „Flying with one wing“ aus Sri Lanka, die Geschichte einer Frau, die unerkannt als Mann lebt, raucht, Fußball spielt und zuhause eine Gattin hat, bis bei einer ärztliche Untersuchung ihr Geheimnis entdeckt wird und ein für sie fatales Coming-Out droht. Regisseur Asoka Handagama hat das mit einem sehr bissig-satirischen Blick auf die patriarchalischen und scheinheiligen Zustände in einer asiatischen Kleinstadt inszeniert, und die Zensoren hätten den Film prompt einkassiert, wenn sich nicht die Intellektuellen Sri Lankas vereint für ihn stark gemacht hätten. Wilfried Hippen

Programm: s. Kino-taz von Donnerstag