Schöner Aufsatz, nicht gelesen

Trotz Prügel durch die OECD kommen Bildungsreformen für das Ruhrgebiet nur schwer in Gang. Dabei haben sich SPD- und CDU-Bürgermeister sogar auf ein gemeinsames Papier geeinigt

VON KLAUS JANSEN

Trotz OECD-Kritik sieht NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) das Schulsystem des Landes „auf dem richtigen Weg“ aus der Misere. Bildungspolitiker des Ruhrgebiets sind jedoch anderer Meinung: Die Ungleichheit der Bildungschancen im Revier hat weiter zugenommen und Benachteiligungen drohen sich zu verfestigen, so das Fazit eines Initiativpapiers, in dem 15 BürgermeisterInnen der Region mehr Unterstützung für Jugendliche in so genannten Problemvierteln fordern.

„Wir haben kein flächendeckendes Bildungsproblem in Deutschland, aber das Kernruhrgebiet ist eine riesige Bildungsproblemzone“, sagt Manfred Beck, Schuldezernent in Gelsenkirchen und Mitinitiator des Papiers „Bildungsoffensive Ruhrgebiet 2020“. „Bei uns in Gelsenkirchen machen zehn Prozent der Jugendlichen überhaupt keinen Schulabschluss. Da kann man nur unterstreichen, wenn die OECD sagt, dass zu wenig in Bildung investiert wird“, sagt er.

Trotz der gemeinsamen Unterschrift von SPD- und CDU- Rathauschefs von Duisburg bis Hamm, die das Papier im Juli im Zuge der Emscher-Lippe-Konferenz veröffentlicht haben, ist die Resonanz bislang jedoch gering. „Die Landesregierung reagiert verhalten“, sagt Beck.

Grund für die Zurückhaltung: Die Kommunen fordern mehr Geld. Ganztagsbildungsangebote sollen ausgebaut, Schüler verstärkt von SozialarbeiterInnen unterstützt, MigrantenInnen durch mehr Sprachförderung gefördert und auch Elternangebote ausgebaut werden, heißt es in dem Papier. Dafür soll die Landesregierung zukünftig auch Kommunen, die keinen genehmigten Haushalt haben, Investitionen in Bildung erlauben. Außerdem sollen in Problemstadtteilen mehr Lehrer eingesetzt werden. Nach Auffassung von Manfred Beck soll diese Förderung nicht nur den Vierteln zugute kommen, die als „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ anerkannt sind. „Wir brauchen einfache Indikatoren. Denkbar wäre, die Förderung an die Quote der künftigen ALG-II-Empfänger anzupassen“, sagt Beck.

Die Bildungspolitiker fordern auch mehr Freiräume: „In Städten wie Essen muss es möglich sein, auch innerstädtisch vom reichen Süden in den armen Norden umzuverteilen“, so Beck. Auch Duisburgs Schulreferentin Rita Rzyski will „Ungleiches ungleich behandeln.“ Man brauche nicht nur neue Förderprogramme, sondern vor allem eine kleinräumigere Betrachtung der Problemzonen. „Bislang lässt das Land den Kommunen da kaum Steuerungsmöglichkeiten“, bemängelt sie.

Im Düsseldorfer Schulministerium sieht man das freilich anders: „Die Kommunen können jetzt schon verteilen, vieles von dem, was gefordert wird, machen wir schon längst“, sagt Ministeriumssprecherin Nina Schmidt. „Der Bildungshaushalt in NRW steigt, so gesehen gibt es sogar mehr Geld“, führt sie an. Alle überzeugen kann sie damit nicht: „Die Ministerin taucht alles in schöne Zahlen“, kritisiert Norbert Müller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. Dass grundlegende Strukturreformen nötig seien, belege auch die OECD-Studie, sagt Müller. „Dafür muss man im Bund auch über Verteilungsfragen wie Vermögenssteuer nachdenken“, findet er.

Ob die RuhrgebietsbürgermeisterInnen diese Forderung übernehmen, bleibt fraglich – die Gelegenheit, sie der Landesregierung vorzutragen, bietet sich jedenfalls: Im November sollen die Bildungsvorschläge im Schulministerium diskutiert werden, auch Staatskanzleichef Wolfram Kuschke hat zum Gespräch eingeladen.