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Archiv-Artikel

Geburt nach Plan?

Geplante Kaiserschnitt werden zunehmend nachgefragt. Eine schmerzfreie Geburt garantieren sie nicht – aber sie kommen dem ärztlichen Wunsch nach juristischer Absicherung entgegen

Derzeit zahlen Krankenkassen zirka 3.000 Euro für einen Kaiserschnitt, für eine vaginale Entbindung lediglich die Hälfte

Der schönste Tag im Leben? Das ist für viele der, an welchem die letzte Prüfung bestanden, der erste Job angetreten, die große Liebe gefunden wurde. Oder der Geburtstag des eigenen Kindes. Blut, Schweiß, Tränen, und Wehen sollen schön sein? Ja. Denn die Geburt eines Kindes sei eben trotz aller Schmerzen und Ängste auch unbeschreiblich schön. Sagen die einen.

Die anderen hingegen wünschen sich, dieses Erlebnis lieber heute als morgen hinter sich zu haben. Und nicht wenige haben so große Angst vor einer natürlichen Geburt, dass sie eine operative Entbindung bevorzugen. In Deutschland kommt heute bereits jedes fünfte Kind per Kaiserschnitt zur Welt, Tendenz steigend. „Die Angst vor den Schmerzen und der erniedrigenden Situation, die Aussicht, stundenlang in heftigen Wehen zu liegen, ohne zu wissen, wie die Mediziner und der eigene Mann reagieren, bringt Frauen dazu, sich einen Kaiserschnitt zu wünschen“, weiß die Berliner Hebamme Marion Brüssel, Vorsitzende des Berufsverbandes.

Viele Ärzte unterstützen dies: Ein geplanter Kaiserschnitt lässt sich besser terminieren. Es ist von Vorteil zu wissen, wann eine Geburt stattfindet und wie lange sie voraussichtlich dauern wird. Nicht zu vernachlässigen ist aus Sicht einer Klinik der Kostenfaktor. Die Betreuungszeit durch medizinisches Personal, die bei spontanen Geburten ja sehr umfassend sein kann, schlägt nicht so zu Buche wie ein ärztlicher Eingriff. Derzeit zahlen Krankenkassen zirka 3.000 Euro für einen Kaiserschnitt, für eine vaginale Entbindung lediglich die Hälfte – ein hübscher finanzieller Gewinn.

Die Bereitschaft der Eltern vor Gericht zu klagen, wenn es unter der Geburt zu Komplikationen komme, sei heute sehr viel höher als noch vor 20 Jahren, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme des Bundes Deutscher Hebammen. Insofern komme der Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation auch dem ärztlichen Wunsch nach juristischer Absicherung entgegen.

Es gibt viele Gründe für Frauen, sich einen Kaiserschnitt zu wünschen, wobei die Angst – auch die ums Kind – immer eine tragende Rolle spielt. Das meist genannte Argument sei, so Brüssel, die „Rettung des Beckenbodens“. Oft haben Frauen nach der Geburt Probleme wie Blasenschwäche und sexuelle Empfindungsstörungen. Die enorme Belastung, welcher der Beckenboden während der natürlichen Geburt ausgesetzt ist, lässt sich nicht wegreden. Doch auch ein Kaiserschnitt garantiert nicht einen unversehrten Beckenboden, da dieser oft schon in der Schwangerschaft starken Belastungen ausgesetzt wurde.

Obwohl selber alles andere als eine Befürworterin des so genannten „Wunschkaiserschnitts“, hat Marion Brüssel „tiefes Verständnis für Frauen, die einen Kaiserschnitt möchten, solange die Geburtshilfe so ist, wie sie ist“, und verweist auf Geburten in Rückenlage, enorm forcierte Geburten und die ungenügende Betreuung der Gebärenden in vielen Krankenhäusern.

Allerdings müsse die Frau stets über alle möglichen Risiken und Folgen eines Kaiserschnitts aufgeklärt werden, damit sie sich frei entscheiden könne. Es dürfe nicht so getan werden, als handle es sich um einen harmlosen und ungefährlichen Eingriff.

Marion Brüssel verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Sterilitätsproblematik: Es gebe „eine unerklärliche Zahl von Frauen, die nach einer Schnittentbindung nicht mehr schwanger werden“. Und schließlich steigt nach einer Kaiserschnitt-Entbindung auch die Wahrscheinlichkeit, das nächste Kind erneut per Kaiserschnitt entbinden zu müssen.

Zwar erlauben schonendere Operations- und Narkosemethoden heute schon, dass die Mutter wach ist und das Kind noch auf dem OP-Tisch zum Trinken anlegen kann. Die postoperativen Schmerzen können sie der Frau aber nicht nehmen. Die damit einhergehende eingeschränkte Bewegungsfreiheit – viele Frauen können nach einem Kaiserschnitt vor Schmerzen kaum gehen – erschwert die Versorgung des Kindes, das Stillen und stört die Bindungsphase in den ersten Tagen nach der Geburt.

KATHARINA JABRANE