: Offenheit sieht anders aus
New York: Architektonisch, na klar, interessant – für zeitgenössische Architekten aber ein feindliches Pflaster. Dass das auch nach dem 11. September so bleibt, zeigt sich jetzt auf der Architecture Week
von JOHANNES NOVY
„New York ist eine Katastrophe – ich liebe es“, so hat der Architekt Le Corbusier einmal sein Verhältnis zu der Metropole an der amerikanischen Ostküste beschrieben. Vielen heute in New York lebenden Architekten dürfte es ähnlich gehen. Angezogen vom Mythos Manhattan, leben viele Stars der internationalen Architekturszene in New York, doch nur den wenigsten gelingt es, in ihrer eigenen Stadt einen Auftrag zu erhalten.
New Yorks Stadtentwicklung ist fest in der Hand der Immobilienbranche und eines Kartells mit ihnen verbundener Architekturkonzerne. Es sind Firmen wie Kohn, Pederson & Fox und Skidmore, Owings & Merrill, die das Erscheinungsbild der Stadt verändern. Auch in der Debatte über die zukünftige Entwicklung des Big Apple gelang es Architekten und Planern in der Vergangenheit nur selten, Akzente zu setzen. Auf die hinteren Seiten des Feuilletons der New York Times verbannt und von der Stadtverwaltung ignoriert, versuchten sie vergeblich, Einfluss auf die gerade während der Neunzigerjahre rasante Entwicklung New Yorks zu nehmen.
Plötzlich gefragt waren Architekten und Planer nach den Anschlägen des 11. September. Die Stadt brauchte ihre Visionen, um die schrecklichen Bilder der fallenden Zwillingstürme zu überwinden. Als der neu gewählte Bürgermeister Michael Bloomberg ankündigte, Planung und Urban Design zu einem Schwerpunkt seiner Politik machen zu wollen, und mit Amanda Burden eine profilierte Planerin in seine Verwaltung berief, kannte der Enthusiasmus keine Grenzen mehr. Bernhard Martin, der an der Columbia-Universität Architekturtheorie unterrichtet, bestätigt, dass die Monate nach dem 11. September von einer bis dato unbekannten Offenheit und Dialogbereitschaft geprägt waren: „Wenn es irgendetwas gab, was sich nach den Anschlägen zum Positiven geändert hat, war es die Haltung der Stadt gegenüber den hier beheimateten Architekten.“
Gleich doppelten Anlass zur Freude boten nun die feierliche Eröffnung des Center for Architecture und der Startschuss für New Yorks erste „Architecture Week“, in deren Rahmen zahlreiche Events zu Architektur, Planung und Urban Design stattfanden. Verantwortlich für diese vermeintliche Architekturoffensive am Hudson ist das American Institute of Architects, das es sich zum Ziel gesetzt hat, den öffentlichen Dialog über Architektur und Planung zu fördern und zu einer besseren Qualität im Bauwesen beizutragen. Dieser Intention entspricht auch das in einer belebten Straße in Greenwich Village gelegene Center for Architecture. Der von Architekt Andrew Berman umgestaltete Gewerbebau strahlt Offenheit und Transparenz aus, man möchte sich nicht abschotten, sondern versteht sich stattdessen als Teil des Organismus Stadt.
Hunderte Besucher kamen in den ersten Tagen der Architekturwoche, um prominente Architekten wie Rafael Vinoly oder Santiago Calatrava bei Diskussionsveranstaltungen zu erleben und die verschiedenen im Center präsentierten Ausstellungen zu besichtigen. Die Stadtverwaltung New Yorks ist gleich zweifach vertreten. „Going Public“ präsentiert den Planungsstand verschiedener Großprojekte im Stadtgebiet, während in einer zweiten Ausstellung erstmalig Entwürfe der Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 vorgestellt werden.
Der Informationsgehalt beider Ausstellungen ist gering. Wenig detailgetreue Ansichten auf Hochglanzpapier, kaum erläuternde Kommentare. Man fühlt sich wie auf einer Immobilienmesse. Zwar gibt es hier und da ein paar Lichtblicke, viele der präsentierten Projekte sind jedoch massiv umstritten, und nur die wenigsten basieren auf Wettbewerbsverfahren. Stattdessen dominiert die gepflegte Langeweile investorenfreundlicher Architekturkonzerne.
Im Zentrum der „Going Public“-Ausstellung trifft der Besucher auf ein Modell des „Hudson Yards“-Projekts im Westen Manhattans. Trotz massiver Proteste will die Stadt dort ein gigantisches Sportstadion errichten lassen sowie ein bereits bestehendes Kongresszentrum ausbauen. Das Vorhaben wird von den meisten Experten als ästhetisch anspruchslos, sozial unverträglich und ökonomisch sinnlos kritisiert. „Wir müssen aufpassen, dass die Stadt nicht wieder in den Status quo zurückfällt“, warnt Bernhard Martin mit Hinweis auf jüngsten Entwicklungen in Lower Manhattan, durch die Daniel Liebeskind Gefahr läuft, endgültig zur tragischen Figur Ground Zero’s zu werden.
Betrachtet man die Mittelmäßigkeit der im Rahmen der Architecture Week präsentierten Vorhaben in anderen Teilen der Stadt, scheint man dorthin bereits zurückgekehrt. Warum das American Institute of Architects seine Räumlichkeiten für die desinformierende Werbepräsentation der Stadt zur Verfügung stellt, ist eine andere Frage. Ob dies mit der Tatsache zu tun hat, dass diese mit einer nicht unerheblichen Summe zum Bau des Center for Architecture beigetragen hat?