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Archiv-Artikel

335 Euro für 1 x Berlin

Der Unionsabgeordnete Josef Sebastian verdient sich mit Reisen seiner Wähler nach Berlin ein Taschengeld dazu

BERLIN taz ■ Bürgerservice wird im Büro des rheinland-westfälischen Bundestagsabgeordneten Josef Wilhelm Sebastian, CDU, ganz groß geschrieben. Fünf Tage in die Hauptstadt reisen, dem politischen Vertreter aus der Heimat über die Schulter schauen, nebenbei noch eine Stadtbesichtigung und Ausflüge nach Potsdam – das alles dürfen die Bürger seines Wahlkreises Ahr erleben. Als Schmankerl gibt’s noch die Übernachtung mit Frühstück und eine „Betreuung durch Mitarbeiter des Abgeordnetenbüros“ inklusive – und das alles für den Spottpreis von 335 Euro.

Der Bürgerservice „Politik live erleben“ ist politökonomisch perfekt organisiert. Wer mit Josef Wilhelm Sebastian auf Reise gehen will, muss nur seine Mitarbeiterin Karin Kluge anrufen. Als Angestellte des Abgeordnetenbüros Sebastian – mitfinanziert aus öffentlichen Mitteln – übernimmt sie die Organisation der Reise. So steht es jedenfalls im Internetauftritt des Volksvertreters. Nach eigenen Angaben ist Kluge jedoch nur für die Terminabsprachen mit dem Bundestag zuständig. „Der Herr Sebastian macht das alles selber“ – anstelle von Politik. Und das legal.

Gesetzestreu wie er nun mal ist, hat der geschäftstüchtige MdB die Vermittlung von Reisen als Gewerbe bei der Verwaltung des Bundestages angemeldet – schon der Umsatzsteuer wegen. Bei mehr als vierzig Reiseteilnehmern macht Herr Sebastian kleine Gewinne, die er pflichtbewusst versteuere.

Josef Sebastian darf, wie alle Bundestagsabgeordneten, ohnehin Gäste aus seinem Wahlkreis in Rheinland-Pfalz einladen. 200 Besucher im Jahr bezuschusst der Deutsche Bundestag, für Schüler reserviert Sebastian diese Gratisreisen. Zusätzlich zahlt das Bundespresseamt für 100 politisch Interessierte jährlich die vollen Fahrtkosten. „Feuerwehrleute und Ehrenamtliche“, sagt Sebastian, lade er dazu gerne ein.

Auch hier gibt es „Politik live“ zu erleben. Aber schließlich hat man auch gut verdienende Wähler und denen muss etwas geboten werden. Für den zahlenden Bürger darf es ruhig etwas touristischer sein.

Mit Reiseorganisation kennt sich Sebastian bestens aus. Schließlich sitzt er als Mitglied des Bundestags im Ausschuss für Tourismus und ist Vorsitzender des Tourismusservice Rhein, Ahr und Eifel. Mit den Reisen will er ausschließlich Bürgerservice betreiben „Es ist nicht der Versuch von Gewinnmaximierung“, sagt Josef Sebastian zur taz. Manchmal macht er sogar Verluste.

FLORIAN HOLLENBACH