: Großer Murks
Schlechten Bayern gelingt gegen schlechte Dortmunderin schlechtem Spiel der Ausgleich in letzter Minute
DORTMUND taz ■ „Weißblaue Tage für Schwarzgelb“ versprach das Stadionheft von Borussia Dortmund seinen Lesern. Gemeint waren der anstehende Bundesligabesuch von Bayern München und die DFB-Pokal-Visite durch Unterhaching am Mittwoch. Und da einige Westfalen sich für durchaus weltoffen halten, mag in der Überschrift sogar noch ein Verweis auf den Beginn des Oktoberfests im Süden versteckt gewesen sein. Falsch war sie trotzdem, denn zumindest am Samstag standen keine Bajuwaren im Rampenlicht, sondern Holländer.
Da war zunächst einmal Ronald Koeman, der Trainer von Ajax Amsterdam. Er hatte sich nach Dortmund aufgemacht, um den kommenden Gegner in der Champions League zu sezieren, besagten FC Bayern. Kurz nach Spielende scharwenzelte er zufrieden durch die Korridore und nippte lächelnd an einem Glas Mineralwasser. Sein Landsmann, BVB-Trainer Bert van Marwijk, brauchte da schon etwas Aufbauenderes: Er nahm zwei Schluck Bier, bevor er sich den Journalisten stellte und mitteilte: Da muss alles raus aus dem Stadion!“ Roy Makaay schließlich, der niederländische Stürmer der Münchener, gab einem holländischen Fernsehsender ein Interview und wusste einen Moment nicht, was er antworten sollte, als der Mann mit dem Mikrofon etwas fragte, dass mit „Grote namen, grote spelers“ begann.
Wenn sich das verwirrend liest, dann passt es erstens zum Spiel und lässt sich zweitens schnell aufklären: Koeman war bestens gelaunt, weil die Bayern einen Kick abgeliefert hatten, der so an die blutarmen Auftritte gegen Leverkusen, Bielefeld und Tel Aviv erinnerte, dass Klubchef Karl-Heinz Rummenigge nichts beschönigen konnte: „Wir haben 75 Minuten lang schlechten Fußball gespielt.“ Van Marwijk musste seinen Promillespiegel heben, weil seine Spieler gegen diesen schlechten Fußball bis zur 88. Minute 2:0 geführt und doch nicht gewonnen hatten, da sie, wie er meinte, es versäumten, die Bälle einfach „aus dem Stadion“ zu prügeln. Und Makaay war kurz sprachlos, weil er nicht nach seinem Ausgleichstor in der Nachspielzeit gefragt wurde, sondern warum „große Namen, große Spieler“ so oft großen Murks abliefern. Das ungefähr war nämlich die Partie über weite Strecken.
Die Bayern brachten in der ersten Hälfte nur einen einzigen Steilpass an den Mann (von Schweinsteiger auf Zé Roberto). Weil aber Vahid Hashemian in dieser 26. Minute die anschließende Flanke um fünf Zentimeter verpasste, fiel die Szene bei allen Fernsehsendern unter den Schneidetisch – obwohl das BVB-Tor bis kurz vor dem Abpfiff nie klarer in Gefahr war. Es stehen so viele „grote spelers“ im Kader der Münchener, dass sich die Trägheit und die vielen technischen Fehler der Elf auch nicht durch den Ausfall von Michael Ballack entschuldigen lassen, der mit Angina auf der Bank saß. Die Borussia hingegen spielte genauso mies, hatte aber bis in die Schlussphase hinein eine perfekte Ausrede in Form von zwei Toren des Brasilianers Ewerthon: Nach einem 60 Meter langen Alleingang (44.) und durch einen Elfmeter, den Thomas Linke an Jan Koller verursacht hatte (68.).
Dieser Zwischenstand sorgte zwar für beste Stimmung im Stadion, erinnerte aber auch schmerzhaft daran, warum die Bundesliga eine so unterhaltsame Spielklasse ist: Sie steckt voller Teams, die seit Jahren unter ihren Möglichkeiten bleiben, wie etwa Hertha, Hamburg oder Schalke. Und natürlich die Bayern, die dieses Spiel ohne jeden Grund zu verlieren drohten. Was sie noch rettete, war, dass auch der BVB in die Liste der ewig Enttäuschenden gehört und es wieder einmal schaffte, in den letzten Minuten die Nerven, die Übersicht und die sichere Führung zu verlieren. Zuerst köpfte Lucio nach einem Freistoß völlig ungehindert das 2:1 (88.). Nun hatte van Marwijk drei Minuten und vier Spielunterbrechungen Zeit, um durch eine Einwechslung wertvolle Sekunden zu schinden. Doch selbst als Lucio und Makaay mit zwei Schüssen scheiterten (89.), wartete der Trainer noch und schickte Ahmed Madouni erst auf das Feld, als der Ball zum fünften Mal ruhte. Doch das war etwas spät, denn da lag er auf dem Anstoßpunkt.
ULRICH HESSE-LICHTENBERGER