■ Reaktionen auf die Berichterstattung zum Bernd-Eichinger-Film „Der Untergang“ : Alternative: Billy Wilder gucken
betr.: „Vergesst Hitler“, Notizen zur aktuellen Hitler-Epidemie von Stefan Reinecke, taz vom 14. 9. 04
Ganz offensichtlich sehen Sie viel in dritten Programmen fern und haben Sebastian Haffners „Anmerkungen zu Hitler“ im Bücherschrank stehen.
Obwohl ich mich vor 22 Jahren exilierte, habe ich das ähnlich halten können. Dabei gibt es hier so etwas Ähnliches wie das 3. Programm, hier SBS genannt, Special Broadcasting Service, Fernsehen für ethnische Minderheiten, dazu das staatliche Programm ABC, Australian Broadcasting Corporation Channel 2. Dadurch konnte man hier dieselben Dokumentarfilme, von denen Sie schreiben, sehen, und noch eine Menge mehr zum Thema.
Was in Ihrem Artikel natürlich unerwähnt bleibt, ist, dass Englisch sprechende Volksgruppen, insbesondere die Engländer, in Sachen Nostalgie, Nazi- und Hitler-Fetischismus um ein Vielfaches fanatischer sind als die Deutschen. Dies wäre auch einmal eine Betrachtung wert. Man käme dann vielleicht zu dem Schluss, dass die Deutschen doch die Weltmeister in Weltschmerz und unbegrenztem historisch-politischen Masochismus sind. Die ganze Welt schüttelt über so viel Selbstgeißelung den Kopf. Aus meiner Sicht versuchen Sie, dies auf originelle Weise mitzuteilen, indem Sie empfehlen, die Sache durch „abwinken“ zu erledigen. Zweifellos ein Fortschritt, zu dem man vor allem der taz ausdrücklich gratulieren sollte. […]
MARTIN SCHNEIDERHEINZE, Gidgegannup, Australien
Schreiben Sie doch mal eine gleichwertige Beurteilung über Sinn oder vielmehr Unsinn über Filme wie „Raumschiff Surprise“ oder „Gegen die Wand“! Ich finde es schlimmer, dass man türkischen Möchtegern-Soderberghs oder pervers hirnlosen so genannten Comedys ausgesetzt ist. Es geht auch nicht um die Kommerzialität und Banalisierung des Themas Hitler. Aber es ist doch absolut lobenswert, dass Eichinger sich selbst die Messlatte sehr hoch gehängt hat. Das „Wunder von Bern“ war technisch, schauspielerisch und Regie-rt unter aller Kanone. Winkende Pappfiguren, absurd dumpfbackenes Drehbuch, schlechtes Editing, grauenhafte Musik … Da regt sich keiner drüber auf. Nein, so was „versendet sich“. Und gewinnt trotzdem in dieser kulturlosen Zeit hoch dekorierte, aber inzestuöse Preise.
Lassen Sie doch endlich diese Zerfleischung von Filmen, die offensichtlich von ihren Machern selbst eine Höchstleistung erfordert haben. Schließlich und endlich ist es ein Film, ein Spielfilm, und keine Dokumentation und kein Doc-Feature, und dieser versucht auf sehr hohem Niveau dem Thema gerecht zu werden.
PETRA SCHINDLER, Paris
Vergesst Hitler? Schön wär’s! Natürlich lässt sich im Fernsehen (Guido Knopp!) und jetzt auch an der Kinokasse eine Menge Geld mit diesem Verbrecher verdienen. Doch wäre das unmöglich, wenn nicht geradezu ein neurotisches kollektives Interesse an Hitler in Deutschland bestünde.
Wie ist das möglich? Der historische Einfluss Hitlers auf die Jetztzeit ist einfach noch zu groß. Selbst der schmerzhafte und immer noch nicht vollendete deutsche Einheitsprozess ist im Grunde die Folge seiner Hinterlassenschaft. Erst wenn ein Film wie „Der Untergang“ nur noch ein müdes Lächeln im Feuilleton und den Talkshows verursacht, wäre die NS-Zeit ein rein akademisches Thema geworden. Schön wär’s! KARSTEN STREY, Hamburg
Ihr Artikel hat alles zur historischen und künstlerischen Dimension dieses Films gesagt. Noch eine ergänzende Beobachtung dazu:
In der wie immer guten (Kerner, please go home) Talksendung von Beckmann am Abend des 13. 9. 04 weilten drei Herren auf Promotiontour: B. Eichinger, B. Ganz und U. Matthes. Herr Eichinger verstieg sich bei einer Rechtfertigungstirade unter anderem zu der Behauptung, dass der „quasidemokratisch“ gewählte Hitler ein erfolgreicher Mensch gewesen sei. Plötzlich war ich hellwach.
Mal abgesehen vom kruden Demokratieverständnis und der Verdrehung von historischen Fakten, fällt doch die seltsame Definition von Erfolg des Herrn Eichinger auf: Erfolg ist, wenn man Teile des Volks, egal mit welchen Mitteln und egal für welche Ziele, hinter sich bringt. Das wiederum ist nun keine Überraschung, denn nach diesem Motto sind auch die Filme des Herrn Eichinger gestrickt. Man nehme einen Bestseller, stülpe ein rührseliges Muster darüber und mache einen Film daraus. Hauptsache die Kasse klingelt, die Aussage ist egal! ANDREAS HAUER, Saarbrücken
betr.: „Der Chef brüllt schon wieder so“, „Der Arzt von Berlin“, taz vom 15. 9. 04
Vielen Dank für diese beiden Artikel.
Allen Aufklärungshungrigen in Sachen Drittes Reich kann ich nur von ganzem Herzen den Kriegsgefangenenfilm (Alliierte in Deutschland) „Stalag 17“ empfehlen. Der ist von Billy Wilder und kostet momentan zirka 10 Euro als DVD. Während einer Szene betritt der deutsche, vornehmlich nette Bewacher die Baracke, und alle Gefangenen wenden ihm ein mit Schnurrbart und Seitenscheitel verziertes Gesicht zu. Woraufhin der gute Deutsche antwortet: „Ach, one Führer is enough.“
Den (Un)Menschen vergessen und sich an seine (Un)Taten erinnern und Billy Wilder gucken, wäre das eine Alternative?
PETRA BECKER, Vaihingen
Der Hitler-Film „Der Untergang“, der jetzt in den Kinos angelaufen ist, zeigt, dass die Auseinandersetzung mit dem Regime der Nationalsozialisten (1933 bis 1945) längst kein Thema mehr ist, mit dem sich ausschließlich Historiker hinter verschlossenen Türen und trockene Geschichtsbücher beschäftigen. Der Eichinger-Film könnte Impulse für Fragen und Antworten auf ein Kapitel der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert geben, das noch heute nachwirkt und die Gesellschaft als Ganzes angeht. ALBERT ALTEN, Wernigerode
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.