: Platzecks Posten gerettet
Trotz herber Verluste können SPD und CDU die Große Koalition fortsetzen. PDS wird zweitstärkste Kraft. DVU erneut im Landtag
AUS POTSDAM LUKAS WALLRAFF
So kann man es auch sehen: „Wir haben gemeinsam verloren“, stellt Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm in seiner ersten Nach-Wahl-Analyse traurig fest. Er meint damit seine CDU und die SPD, die seit fünf Jahren gemeinsam in Brandenburg regieren. Und eigentlich hat Schönbohm damit sogar völlig Recht: Beide Potsdamer Koalitionspartner müssen ein Minus von jeweils rund 7 Prozentpunkten hinnehmen.
Der Unterschied ist nur: Die SPD freut sich trotzdem. Und wie. Wo auch immer sich Sozialdemokraten treffen, herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit, in einem Ausmaß, wie man es bei der bundesweit so gebeutelten SPD lange nicht erlebt hat.
Es ist fast ein bisschen wie früher, an diesem Wahlabend im Potsdamer Landtag. Kaum werden die Ergebnisse bekannt, ist Manfred Stolpe zu sehen. Jener Mann also, der das Land über zehn Jahre lang regiert und als „kleine DDR“ verwaltet hatte und der jetzt, nach seinem Abgang vor zwei Jahren, als Verkehrs- und Ostminister in Berlin vor allem für schlechte Presse sorgt.
Stolpe lässt es sich nicht nehmen, dabei zu sein, jetzt, wo es endlich wieder etwas zu feiern gibt. „Der Sieger des Abends heißt Matthias Platzeck“, sagt Stolpe, und es klingt so, als wäre er, wenn schon nicht mehr Ministerpräsident, so mindestens noch so etwas wie der Brandenburger Oberwahlleiter, der die Arbeit seiner Schäfchen gnädig kommentiert. „Er hat bestanden“, lobt Stolpe Platzeck. „Auch gegen Kritik, auch gegen bösen Populismus.“
Damit steht Stolpe nicht allein. Alle loben, preisen Platzeck, weil er sich „auf die Marktplätze“ begeben habe, weil er den Menschen erklärt habe, dass Hartz IV zwar hart, aber doch nicht ganz so hart sei, wie die PDS behauptet hatte. Platzecks „persönlicher Bonus“ habe am Ende den Ausschlag gegeben, sagt einer aus dem Wahlkampfteam der SPD. Er habe etwas, was nur noch wenige Politiker vorweisen können: „Glaubwürdigkeit“.
Im Unterschied zur CDU scheint es der SPD auch gelungen zu sein, die Hauptbotschaft ihrer Plakate zu vermitteln. Als „einer von uns“ wurde Platzeck da gepriesen, was ihn nicht nur vom Ex-Westpolitiker Schönbohm unterschied, sondern auch vom gescheiterten Ex-Westberliner Spitzenkandidaten der Grünen, Wolfgang Wieland. Zwar musste sich auch Platzeck Eier um die Ohren fliegen lassen und Schmähungen der Hartz-Reformen anhören, aber irgendwie gelang es ihm, den richtigen Ton zu treffen. Als er mitten im Wahlkampf verkündete, die Ostdeutschen fühlten sich als „Menschen zweiter Klasse“, nahm ihm das niemand übel, er schien einfach das auszudrücken, was viele dachten.
Die Brandenburger CDU dagegen dürfte sich beeilen, ihre Wahlplakate ganz schnell abzuhängen, weil sie ihre Niederlage jetzt nur noch deutlicher sichtbar machen. Schwere Zeiten, stand da nämlich, erfordern eine starke Führung.
Das haben offensichtlich auch die Brandenburger Wähler so gesehen – aber ganz anders, als es die Christdemokraten meinten. Die SPD bleibt, wenn auch geschwächt, die Nummer eins, die CDU ist wieder da angekommen, wo sie vor Schönbohms Amtsantritt vor über fünf Jahren war: Weit abgeschlagen hinter SPD und PDS, sogar unter 20 Prozent.
Noch vor wenigen Wochen, so Schönbohm fast schon melancholisch, hätten er und seine CDU geglaubt, selbst stärkste Kraft werden zu können, doch: „Dann kam die Hartz-IV-Diskussion“ und in deren Folge „eine tektonische Verschiebung“. Soweit, so klar. Dann aber kam Schönbohm etwas durcheinander, als er erklären wollte, dass an der eigenen Pleite die PDS schuld gewesen sei. „Die Hartz-IV-Diskussion“ habe die Wähler zunächst den Sozialisten zugetrieben. Am Schluss aber sei es den Wählern nur noch darum gegangen, zu „verhindern, dass die PDS stärkste Kraft wird“. Daher hätten sie letztlich doch Platzeck gewählt. Wie auch immer: Verloren hat auf jeden Fall die CDU.
Wirklich gewonnen haben nur die DVU, die erneut in den Landtag einziehen kann, und die PDS, die mit fast 30 Prozent ein Rekordergebnis einfuhr. Ihre Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann wird nicht Ministerpräsidentin. Aber das stört die PDS nicht wirklich. Opposition gegen Schwarz-Rot ist auch keine schlechte Perspektive. Und dass es bei Schwarz-Rot bleibt, daran zweifelt an diesem Abend niemand.