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Archiv-Artikel

Rede, auch mal widersprüchlich

Veröffentlichungsparty und Buchvorstellung mit Gästen: Im Band „Läden, Schuppen, Kaschemmen“ erzählen Dabeigewesene anhand von deren Schauplätzen aus der Hamburger Popkulturgeschichte

„Dieses Buch erzählt eine Geschichte der populären Musikkultur in einer europäischen Großstadt.“ Nicht die einzige, sondern eine mögliche Version des So-ist-es-gewesen also. Oder viele Versionen, denn Läden, Schuppen, Kaschemmen, dessen Editorial die zitierten Zeilen entstammen, lässt die Dabeigewesenen zu Wort kommen – ausschließlich. Den Autoren der sechs Kapitel kam die Aufgabe zu, aus Stunden von Interviews eine runde, wenngleich auch mal widersprüchliche Rede zu formen. („So hat es auch Jürgen Teipel gemacht“, heißt es an gleicher Stelle weiter, der dieses Montage-Prinzip seines Doku-Romans Verschwende Deine Jugend freilich auch nicht erfunden hat.)

Die Stadt, um die es geht, ist Hamburg, und einige seiner Popkulturgeschichten – über die klassische Hamburger Musikszene der frühen 70er, über Punk oder die „Hamburger Schule“, die Soundsystem-Landschaft, die frühe Clubkultur oder das späte Eimsbüttler HipHop-Geschehen – werden anhand der Orte erzählt, an denen sie stattfanden und die für sie wichtig waren: Szenekneipen und Konzertschuppen, zweckentfremdete Wohnzimmer oder halblegal angeeignete Leerstände.

Es wären auch andere Wege der Annäherung vorstellbar, strenger biographische etwa, doch habe sich dieser „als eine jener grünen Nebenstrecken“ herausgestellt, so Herausgeber Christoph Twickel im erwähnten Editorial: „kurviger ..., dafür um einiges vielversprechender“. Und sei es nur, um den Wust an persönlich gefärbter Erinnerung – mit ihrem schwierigen Quellencharakter – zu kanalisieren in Richtung eines nur scheinbar eingeengten Blickwinkels. Und überhaupt wiederum: Ohne Ort lässt sich kaum eine kulturelle Praxis betreiben, sei sie noch so informell strukturiert oder schlicht kurzlebig.

ALEXANDER DIEHL

Christoph Twickel (Hg.): Läden, Schuppen, Kaschemmen. Edition Nautilus 2003, 256 S., 14,90 EuroReleaseparty (mit DJs sowie Filmen aus 30 Jahren Hamburger Nachtleben): heute, 20 Uhr, Echochamber, (Nobistor 24); Präsentation (mit Gästen): 20.10, 21 Uhr, Buchhandlung Cohen & Dobernigg (Sternstraße 4)