: Bundesanwaltschaft: Richter hat sich verquatscht
Störung im Prozess gegen die Neonaziband „Landser“: Bundesanwaltschaft hält Richter für befangen. Er soll eine Polizeirazzia ausgeplaudert haben
Nach drei Monaten gerät der Prozess gegen die Berliner Neonaziband „Landser“ ins Stocken – durch einen ungewöhnlichen Vorgang: Gestern stellte die Bundesanwaltschaft einen „Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit“ gegen den Vorsitzenden Richter der 2. Strafkammer, Wolfgang Weißbrodt. Bei dem Prozess wirft die Anklage drei mutmaßlichen Bandmitgliedern unter anderem Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 sowie Aufstachelung zum Rassenhass vor.
Hintergrund des ungewöhnlichen Schritts: Richter Weißbrodt soll bei einem Telefonat mit dem Verteidiger des Hauptangeklagten Michael R. eine Polizeirazzia gegen die Berliner Neonazirockergruppe „Vandalen“ verraten haben. Der 38-jährige R. gilt nicht nur als mutmaßlicher „Rädelsführer“ von „Landser“, sondern auch als führender Kopf der „Vandalen“. R. war vor dem „Landser“-Prozess mit Auflagen von der Untersuchungshaft verschont worden. Unter anderem darf er sich nicht mit seinen Mitangeklagten sowie dem polizeibekannten Neonazi Jean René B. treffen. Gegen B. wird gesondert ermittelt, er soll als Auftragsschläger für „Landser“ geprügelt haben.
Offenbar hatte die Polizei gehofft, Michael R. und Jean René B. gemeinsam bei der alljährlichen „Geburtstagsfeier“ der „Vandalen“ anzutreffen. Im Vorfeld der Feier hatten sich Beamte bei Richter Weißbrodt erkundigt, ob die Auflagen gegen Michael R. noch bestünden. Nach dem Gespräch mit der Polizei habe Richter Weißbrodt den Anwalt von Michael R. angerufen, kritisiert die Bundesanwaltschaft. Dabei habe der Richter gewarnt: Michael R. müsse damit rechnen, erwischt zu werden, wenn er bei der „Vandalen“-Party gegen seine Auflagen verstoße.
Als dann am 20. September 370 Polizisten die Party in einer Treptower Gaststätte auflösten, stießen die Beamten zwar auf Michael R. „Vandalen-Anwärter“ Jean-René B., der noch im vergangenen Jahr mitgefeiert hatte, jedoch fehlte. Auch Straftaten konnte die Polizei nicht feststellen.
Nach Angaben der Gaststätte hatten die „Vandalen“ schon bei der Anmietung der Räume erklärt, dass es eventuell zu einem Polizeieinsatz kommen könnte. Szenekenner verweisen allerdings darauf, dass Polizeieinsätze bei Geburtstagsfeiern der „Vandalen“ seit Jahren zum Ritual gehören.
Ob Richter Weißbrodt mit dem Anruf also eine geplante Polizeimaßnahme verraten oder lediglich seine „Fürsorgepflicht“ gegenüber den Angeklagten erfüllt hat, muss nun die Kammer beraten. Die Entscheidung soll am Dienstag bekannt gegeben werden. HEIKE KLEFFNER