Politik frustriert Pädagogen

Modell Borchshöhe: Die aktuell geplante Schulreform, die zehn Jahre „Verlässlichkeit“ bringen soll, wirbelt erst einmal alles durcheinander – und die Behörde frustriert die, die in den Schulen arbeiten

Von Klaus Wolschner

Von außen sieht die Grundschule Borchshöhe aus wie eine Schule, aber innen scheint alles anders. Die Klassenzimmer gehören zu „Lernhäusern“. Es gibt kein „vorn“ und kein Lehrerpult, die Räume sind doppelt so groß wie Klassenzimmer in üblichen Schulen. Es gibt keinen Frontalunterricht, keinen 45-Minuten-Takt, nie mehr als 20 Kinder in einer der Lerngruppen. „Jahrgangsübergreifendes Lernen“ ist das Konzept, und für die Kinder ist klar, dass der eine etwas weiter ist als der andere – auch unabhängig vom Geburtsjahrgang. Schulleiterin Petra Köster-Gießmann hat sich die Anregungen für „ihre“ Schule in Schweden geholt. Kinder, die auch eine „normale“ Grundschule kennengelernt haben, sagen: „Lernen macht hier mehr Spaß.“

Trotz der überregionalen Aufmerksamkeit, die die Modellschule Borchshöhe genießt, darf sie nicht von Klasse 1 bis 6 wie bisher weitermachen, weil das im neuen Schulmodell nicht vorgesehen ist. Die Jahrgänge 5 und 6 gehören zur „Oberschule“. Bisher gehen die meisten Kinder von der Borchshöhe aber nicht zweihundert Meter weiter auf das Schulzentrum Lerchenstraße, sondern auf die Gerhard Rohlfs-Schule – weil das auch eine Integrierte Schule ist.

Die Lerchenstraße bietet getrennte Klassen für Sekundarschule und Gymnasialkinder an, darunter auch auch bilinguale Bildungsgänge. Offenbar mit großer Zustimmung bei Eltern – fünfzügig ist der Gy-Zweig. Das wird im kommenden Schuljahr so nicht mehr möglich sein, hat Schulrat Otto Bothmann jüngst erklärt, die Eingangsklassen an Oberschulen müssen integrierte Klassen sein. Und ein „bilinguales“ oder ein Musikprofil dürfe nicht den Effekt habe, lernstarke Kinder zu sammeln – „heimliche Gymnasialklassen“ würden nicht zugelassen.

Zwar steht im Bremer Schulkonsens ausdrücklich, dass eine Oberschule „sowohl innere wie äußere Differenzierung“ haben könne, im Entwurf für das neue Schulgesetz gibt es aber nur noch die „innere“. So zwingt die Schulbehörde derzeit die Schule Lerchenstraße, sich in Richtung Gesamtschule zu bewegen. Damit das klappt, wird der Schule Lerchenstraße von der Behörde eine neue Leitung verordnet.

Die Schulleiterin der Borchshöhe, Petra Köster-Gießmann, hätten gern eine viel weiterreichende Reform-Idee an ihrer Schule verwirklicht: Unter dem Namen „Scola Nova“ hat ein Kreis von Wirtschaftsleuten zusammen mit ihr bei der Bildungsbehörde das Konzept für eine Privatschule eingereicht, die von der Krippe bis zum Abitur schlicht alles anbieten soll. Aber die Behörde lehnte ab – private Grundschulen sind in Bremen nicht erwünscht. Nun verhandelt „Scola Nova“ seit bald zwei Jahren mit der Behörde über die Frage, ob das Reformmodell unter staatlicher Oberaufsicht stattfinden könnte. Für die Scola-Nova-Initiative ist klar: Petra Köster-Gießmann wäre für die Leitung des Projektes die erste Wahl. Für die Behörde ist aber klar: Am Standort Borchshöhe soll es so etwas nicht geben. Offenbar steht im Hintergrund die Sorge, direkt neben der Schule Lerchenstraße mit ihren gymnasialen Ambitionen könnte eine Reformschule Borchshöhe zu wenig lernstarke Kinder anziehen. Verschiedene andere Standorte sind für die „neue Schule“ geprüft worden, darunter auch das leer stehende Gebäude der alten Stephani-Schule. Wenn das klappt, würde die Borchshöhe ihre treibende Kraft verlieren.