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Archiv-Artikel

Wasser marsch!

Zwanzig Prozent der weltweit produzierten Elektrizität stammen aus Wasserkraft. Das ist weitaus mehr, als etwa Windkraft oder Photovoltaik auf die Waage bringen. Doch Deutschland liegt mit fünf Prozent weit abgeschlagen

Wasserkraft scheint ein Lobby-Problem zu haben. Vielleicht fällt sie einfach nicht auf, weil es sie schon immer gab: Wassermühlen drehten sich schon in der Antike. Dabei nutzen sie ein einfaches Prinzip: die Strömungsenergie des Flusses. Früher wurde diese Energie auf mechanischem Wege genutzt, etwa um Mühlsteine anzutreiben oder Wasser über große Höhen zu schöpfen. Im 19. Jahrhundert traten an die Stelle einfacher Wasserräder stählerne Turbinen mit höherem Wirkungsgrad. Dazu kamen Generatoren, um elektrische Energie zu erzeugen.

Heutzutage stammen 20 Prozent der weltweit produzierten Elektrizität aus Wasserkraft, also weitaus mehr, als etwa Windkraft oder Photovoltaik auf die Waage bringen. Ein Teil der Anlagen sind Pumpspeicherwerke: Gekoppelt mit anderen erneuerbaren Energien können sie also Stromlücken ausgleichen. Der Anteil blauer Energie schwankt jedoch von Land zu Land sehr stark: Einige Staaten in Südamerika setzen ausschließlich auf Wasserkraft. In Europa beziehen Alpenländer wie die Schweiz oder Österreich immerhin fast zwei Drittel des Stroms aus dem rauschenden Bach. Selbst die atomfreundlichen Schweden liegen bei 50 Prozent. Auffällig niedrig erscheint allerdings die Vergleichszahl für Deutschland: 5 Prozent. Das klingt nach viel Steigerungspotenzial, schließlich sind die geografischen Verhältnisse gerade in Süddeutschland hervorragend geeignet. Betreiber können zudem mit einer Vergütung nach dem Energie-Einspeise-Gesetz (EEG) rechnen, je nach Größe der Anlage zwischen 7 und 9 Cent pro Kilowattstunde. Große Staudammprojekte braucht jedoch niemand. Ein grüner „New Deal“ könnte nämlich auch von Kleinkraftwerken ausgehen, findet Julian Aichner von der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e. V.: „Tennessee Valley wäre heute auch in Deutschland möglich. Schließlich arbeiteten zwischen Waterkant und Watzmann um 1900 rund 80.000 Wassertriebwerke. 2000 waren es noch etwa 8.000. Von den übrigen 90 Prozent stehen oft noch die Stauwehre. Dort ließe sich moderne Wasserkrafttechnik wieder einbauen.“

Dabei geht es natürlich auch um Arbeitsplätze. Kommt es zu einer Renaissance der blauen Energie, hätten deutsche Firmen Oberwasser. So wie zum Beispiel die Wasserkraft Volk AG im Schwarzwald, gegründet in den Siebzigerjahren von Manfred Volk. Weltweit, so schätzt Volk, würden bisher nur etwa 20 Prozent der vorhandenen Wasserkraft-Ressourcen genutzt. Gute Aussichten für ein Unternehmen, das zu den weltweit führenden Anbietern von Wasserkraftanlagen in der Megawatt-Klasse zählt. Die Auftragsbücher sind voll, bisher allerdings vor allem mit Aufträgen aus dem Ausland. Doch das kann sich ändern: denn die Klimaschutzziele der Bundesregierung lassen sich nur erreichen, wenn auch der Anteil der Wasserkraft am Energiemix steigt.ANSGAR WARNER