: Ist der Sommer noch zu retten?
Die Prognosen für die Tourismusbranche und die Reiseländer weltweit sind bewölkt, auch wenn das einige Veranstalter immer noch nicht offen eingestehen wollen. Eindrücke und Meinungen von der Internationalen Tourismusbörse in Berlin
VON EDITH KRESTA
„Die Finanz- und Wirtschaftskrise trifft auch den deutschen Reisemarkt. Die Kunden sind deutlich zurückhaltender, was ihre Buchungen anbelangt“, sagte Mario Kubsch vom Münchner Studienreiseveranstalter Studiosus. „Wir sind momentan mit ungefähr 10 Prozent im Rückstand.“ Eine Zahl, die immer wieder auf der Internationalen Tourismusmesse in Berlin (ITB) zu hören war. Nicht immer so offen, denn auf der weltgrößten touristischen Fachmesse der erfolgsverwöhnten Superlative gab es auch viele Durchhalteparolen.
Mehr als 180 Länder und Gebiete stellten in den Berliner Messehallen vom 11. bis 15. März ihre Angebote und Destinationen vor. In einer von der Fachhochschule Eberswalde durchgeführten Umfrage an den Ständen gaben sechs von zehn Ausstellern an, dass sie nicht von der Krise betroffen seien. Allerdings gehen 52 Prozent der Aussteller von einer weiteren Verkürzung der Aufenthaltsdauer bei Reisen aus, 60 Prozent glauben an einen Boom bei Inlandsreisen und 68 Prozent rechnen mit einer verstärkten Nachfrage bei Last-Minute-Angeboten.
Bei TUI Deutschland sind die Buchungen für die Sommersaison um 11 Prozent zurückgegangen. Um profitabel zu bleiben, hat TUI die Kapazitäten für den Sommer bereits um 14 Prozent reduziert. Um fast eine Million Sitzplätze haben die deutschen Veranstalter ihr Ferienflugangebot für die Sommersaison zurückgefahren – ein Kapazitätsabbau, der je nach Veranstalter zwischen 10 und 15 Prozent liegt. TUI-Deutschland-Chef Volker Böttcher ist deshalb zuversichtlich, dass es „keine Rabattschlacht geben wird“. Bei Thomas Cook in Deutschland gibt man sich optimistischer. Vorstandschef Peter Fankhauser sagte: „Die Buchungen ziehen seit Mitte Februar an.“ Doch Konzernchef Manny Fontenla Novoa warnte: „Wir dürfen uns nichts vormachen: Es wird noch härter.“ Die Reiseveranstalter wollen die Hoffnung, dass der Sommer noch zu retten ist, nicht aufgeben. Sie gründen ihren Optimismus auch auf die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR). „Urlaubsreisen haben für die Deutschen auch in der Krise ihren besonderen Stellenwert und werden erst in Zeiten höchster Not geopfert“, so das Fazit der Reiseanalyse, die auf der ITB vorgestellt wurde.
Weniger Geschäftsreisen
Wenn aufs Reisen verzichtet wird, dann eher auf Kurztrips. Laut der repräsentativen Befragung sehen 75 Prozent der Bundesbürger die Finanzkrise als besorgniserregend. Auf die konkrete Urlaubsplanung wirkt sie sich allerdings nur bei 15 Prozent aus. „Es wird drei Bereiche geben, in denen es zu massiven Einbrüchen kommt: der Geschäftstourismus, der Kurbereich und bei Städtereisen“, prognostizierte Rainer Laubig, Pressesprecher von Baden-Württemberg Tourismus Marketing. Auch nach einer Studie des britischen Marktforschungsinstituts Economist Intelligence Unit werden Führungskräfte weltweit 2009 weniger, kürzere und billigere Geschäftsreisen unternehmen.
Marc Hildebrand, neuer Deutschlandchef des französischen Hotelkonzerns Accor, bestätigte diesen Trend: „In den oberen Segmenten stellt sich der Markt aktuell schwierig dar. Vor allem die Nachfrage der Geschäftsreisenden und im Meeting- und Konferenzbereich ist rückläufig.“ Auch auf dem Asienmarkt leiden am meisten die internationalen Hotelketten wie Sheraton oder Accor, weil diese von internationalen Gästen leben und sich wenig auf den einheimischen Markt konzentrieren. „Deshalb gibt es in Asien Initiativen, dass man die Preise um 50 Prozent reduziert, um dem lokalen Markt anzuregen“, konstatierte Josef Konrad vom Reisemagazin Pool & Spa Asia.
In der Schweiz geht das Bundesamt für Statistik von 7 Prozent weniger Incoming-Tourismus aus. „Asien schwächelt, Amerika schwächelt und Russland hat nachgelassen“, sagte Christina Marzluff von Schweiz Tourismus. „Wir haben schon in den letzten drei Monaten deutliche Rückgänge bei den Überseemärkten verzeichnen können.“ Auch Jake Grieves-Cook, Chairman von Kenia Tourismus, bestätigte Einbrüche: „Aus Großbritannien, Deutschland und Amerika gehen die Buchungen deutlich zurück. Bei Amerikanern scheint auch der Obama-Effekt nicht mehr zu ziehen. Es wird später gebucht und kürzer geblieben.“ Nicht die Entwicklungsländer, sondern Europa und Amerika seien die weltweit am meisten betroffenen Regionen, weil viele der Länder, aus denen traditionell die Touristen kommen, in der Rezession stecken, sagte Taleb Rifai, Generalsekretär der Welttourismusorganisation (UWTO). „Diese Krise ist schlimmer als die vorige.“
„Nach umfangreichen Analysen kommen wir zu dem Schluss, dass der Deutschland-Tourismus von der Wirtschaftskrise voraussichtlich weniger stark betroffen sein wird als viele andere Destinationen in Europa“, sagte Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Bei zögerlichem Buchungsverhalten hofft die DZT vom Nahtourismus zu profitieren und setzt auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis in Deutschland. „Die Stagnation im Reisegeschäft könnte den Ferntourismus und die Dritte Welt stark treffen“, meinte Heinz Fuchs, Tourismusexperte vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). „Zur Krise kommt die Klimadebatte, und viele haben gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann. Nachhaltige und zukunftsfähige Tourismusangebote werden die Krise besser überstehen. Ich glaube, in der Krise liegt eine große Chance, Angebote neu zu überdenken.“
Keine großen Rückgänge
Dass nachhaltige Angebote zukunftssicherer sind, scheint sich beim Forum Anders Reisen zu bestätigen. „Unseren Unternehmen geht es nicht schlecht“, sagte Rolf Pfeiffer, Geschäftsführer des Forums. „Wir haben keine großen Buchungsrückgänge. Vielleicht eine Stagnation, und Kunden, die bisher Fernreisen gebucht haben, orientieren sich möglicherweise mehr am europäischen Raum. Viele unserer Fernreiseveranstalter können sich vor Arbeit nicht retten.“ Allerdings bedient das Forum auch eine wenig absturzgefährdete gehobene Mittelschicht, die sich einen gesunden und nachhaltigen Lebensstil noch leisten kann.