: Lastwagen bremsen Güterwaggons aus
Auf der IAA Nutzfahrzeuge jubeln die Lkw-Hersteller über kräftige Zuwächse um fast ein Fünftel. Auf der Bahnmesse Innotrans müssen die deutschen Zugbauer hingegen mit derben Einbußen zurechtkommen: Ihr Auftragseingang sank um zwei Fünftel
VON ANNETTE JENSEN
Drei Monate vor dem geplanten Start der Lkw-Maut brummt der Lastwagenabsatz bei den deutschen Herstellern. „Die Produktion läuft auf vollen Touren“, frohlockt der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernd Gottschalk. Erwartet wird, dass in diesem Jahr fast ein Fünftel mehr Lkws von den Bändern rollen als 2003. DaimlerChrysler verkündete gestern im Vorfeld der internationalen Nutzfahrzeugmesse in Hannover eine Gewinnsteigerung um 170 Prozent im ersten Halbjahr. Und auch MAN hat dreistellig zugelegt.
Beide Firmen stellten nach Jahren der Entlassungen wieder einige hundert neue Arbeiter für die Montage ein – wenn auch befristet. VW dagegen hofft, wenigstens im kommenden Jahr wieder schwarze Zahlen in dieser Sparte zu schreiben. Der Hersteller kleinerer Nutzfahrzeuge gilt noch immer als zu teuer.
Nicht nur aus dem Ausland werden mehr deutsche Lastwagen bestellt. Auch das hiesige Speditionsgewerbe ordert wieder mehr Wagen – was von einigen Wirtschaftsexperten als Indiz für die anspringende Konjunktur gewertet wird. Um 14 Prozent nahmen die Neuzulassungen dieses Jahr bereits zu. „Viele Fuhrparks müssen modernisiert werden“, sagt Barbara Rauch vom Deutschen Speditions- und Logistikverband.
Während also die Lkw-Hersteller jubeln, geben sich die deutschen Transporteure miesepetrig. Obwohl Verkehrsminister Manfred Stolpe nach dem Maut-Debakel die Wiedereinführung der Autobahnvignette verhindert hat und Brummifahren in Deutschland danach so billig wie schon lange nicht mehr war, beklagen sie zu hohe Kosten. Rund 30 Prozent Mehrbelastungen durch Benzin- und Kfz-Steuern, hat der Deutsche Speditions- und Logistikverband ausgerechnet, müssten deutsche Spediteure im Vergleich zu Italien, Belgien, Frankreich und den Niederlanden zahlen. Und von Osten her sehen sich die deutschen Spediteure von Niedriglohn-Transporteuren bedrängt. Insgesamt rechnet die Branche aber damit, dass in Deutschland in diesem Jahr wieder 2 bis 2,5 Prozent mehr Ladung anfällt als noch 2003. Und auch im Vorjahr hatte sich schon ein leichter Anstieg bemerkbar gemacht. Vor allem der Ferntransport von Exportprodukten schlage hier zu Buche, so Rauch. Im Nahverkehr dagegen seien die Transportmengen wie schon im vergangenen Jahr weiter rückläufig, was vor allem auf die schwache Baukonjunktur zurückzuführen sei.
Gar nicht einverstanden sind die Spediteure mit den Überlegungen im Verkehrsministerium, die Lastwagenmaut mittelfristig von 12,4 auf 15 Cent je Kilometer zu erhöhen, um dadurch 600 Millionen Euro mehr im Jahr für Verkehrsinvestitionen einzunehmen. Doch die Bundesregierung sucht nach einer Kompensation für die Verzögerung der Maut: Schließlich musste sie am Schienen- und Straßenbau erheblich sparen, angesichts der Einnahmeausfälle von TollCollect von rund 3 Milliarden Euro seit September 2003.
Darunter leidet im Übrigen nicht nur die Bauindustrie. Auch die Bahnkonzerne klagen, die angesichts sinkender Aufträge im Inland mit weiteren Entlassungen rechnen. Während die Lkw-Branche boomt, ist der Auftragseingang bei den Herstellern von Zügen von 1,5 auf 0,9 Milliarden Euro zurückgegangen, meldete der Verband der Bahnindustrie in Deutschland auf der Schienenverkehrsmesse Innotrans 2004, die zurzeit in Berlin stattfindet. Ohne neue Abnehmer aus dem Ausland hätte die Bilanz noch schlechter ausgesehen.
Zu alledem passt auch, dass die Bahn AG zwar im Güterverkehr im ersten Halbjahr ein Wachstum vermelden konnte; das ist aber ausschließlich auf die Zuwächse durch das aufgekaufte Speditionsunternehmen Stinnes zurückzuführen.