KMK kritisiert sich lieber selbst

Die Kultusminister holen sich die Deutungshoheit über die Schulen wieder zurück: Die OECD wird zur Vorstellung ihres neuesten Katastrophenberichts – diesmal über die Lehrer – erst gar nicht eingeladen

VON CHRISTIAN FÜLLER

Schade, es hätte so schön depressiv werden können. Für heute 9.30 Uhr hatten sich viele auf das gruselige Vergnügen gefreut, aus dem Munde eines OECD-Berichterstatters wieder von der deutschen Bildungsmalaise zu hören. Aber nix da, die Kultusminister haben erst mal genug, sie machen sich ihre Kritik lieber selbst. „Die Präsidentin der Kultusminister übernimmt den Part, die Lehrerstudie aus Sicht der Länder zu bewerten“, sagte ein Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK) gestern zur taz.

Bei der OECD bestätigte man, „dass die internationalen Autoren der Studie nicht eingeladen wurden“. Die ernüchternde Kritik des Chefs der Bildungsstatistik der OECD, Andreas Schleicher, von vergangener Woche hat die Kultusminister schwer geärgert. Schleicher hatte Zweifel an der Entwicklungsfähigkeit der deutschen Schule geübt – woraufhin ihm die KMK Konsequenzen angedroht hatte.

Das Problem der Kultusminister: Diesmal ist gar nicht der ungeliebte Deutsche in Paris der Autor der Lehrerkritik, sondern eine Crew internationaler Autoren. Und diese renommierten Schulexperten kommen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis wie Schleicher: Obwohl es respektable Veränderungen in der deutschen Schule gebe, „blieben die großen strukturellen und regulatorischen Charakteristiken auf übergeordneter Ebene praktisch unverändert“. Kurz gesagt: An der deutschen Schule wird viel am Detail herumgedoktert – die wesentlichen Probleme der Leistungsschwäche, Ungerechtigkeit und Bürokratisierung werden nicht angegangen.

Die Studie, die der taz vorliegt, räsoniert über Anwerbung von guten Lehrern in Deutschland und kommt zu einem erschütternden Befund. Demnach ist der deutsche Lehrerstand im internationalen Vergleich ungewöhnlich alt (2001 waren 45 Prozent der Grundschullehrer und 51 Prozent der Lehrer der unteren Sekundarstufe 50 Jahre und älter). Er verhält sich weitgehend resistent gegen Weiterbildungen und ist, wegen des Beamtstatus, durch eine extreme Immobilität gekennzeichnet.

Die OECD-Analysten, unter ihnen der Schwede Mats Ekholm und der Leiter der OECD-Abteilung Paulo Santiago, üben ausdrücklich keine Kritik am einzelnen Lehrer. Aber sie sind einigermaßen erschüttert vom allgemeinen Zustand der Berufsgruppe – etwa wegen der hohen Zahl an psychischen Erscheinungen, die sich bemerkbar machen. Ein Drittel der Lehrkräfte, heißt es mit Bezug auf entsprechende Untersuchungen, „leiden unter verschiedenen physischen, psychosomatischen und psychologischen Beschwerden, die häufig als das ‚Burn-out-Syndrom‘ bezeichnet werden“.

Im Land hat die übliche Reaktion auf Bildungsstudien eingesetzt. Die vorab informierten Bedenkenträger erklärten die Studie für nicht aussagekräftig. So etwa der Chef des deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Der Mann, dessen Dachverband vier Mitglieder zählt, bezeichnete die Machart der Studie als „äußerst windig und unseriös“.

Ob diese Verteidigungsstrategie diesmal wieder erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten. Andere OECD-Studien fußen auf komplizierten empirischen Erhebungen und Daten, die für den Normalbürger schwer nachprüfbar sind. Diesmal reiste eine Gruppe von internationalen Evaluierern durchs Land und fand heraus, was ohnehin alle wissen.