: Der Kanzler gibt Flick die Ehre
AUS BERLIN ROLF LAUTENSCHLÄGER
Der Name Flick, bisher das hässliche Synonym für die NS-Wehrwirtschaft, für Kriegsverbrechen und die CDU-Parteispendenaffäre, erfährt seit Dienstag Absolution – und das mit Hilfe des Bundeskanzlers. Im Beisein von Gerhard Schröder wurde gestern Abend eine der umstrittensten Kunstausstellungen der Nachkriegszeit, die „Friedrich Christian Flick Collection“, in Berlin eröffnet. Friedrich Christian Flick, Enkel und Erbe des Rüstungsfabrikanten Friedrich Flick, überlässt Berlin für sieben Jahre seine über 2.000 Werke umfassende Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, die im Museum Hamburger Bahnhof und einer benachbarten Ausstellungshalle gezeigt wird. Während Mitglieder der Bundesregierung, das Land Berlin oder die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) die Schau unterstützen, sehen Kritiker darin weiterhin einen Skandal.
Der Ursprung des Flick’schen Vermögens für die Sammlung und die Weigerung Mick Flicks, sich ernsthaft mit der Vergangenheit seiner Familie auseinander zu setzen, hätten Teil der Ausstellungskonzeption werden müssen, kritisierte erneut der Direktor des Fritz Bauer Instituts, Micha Brumlik, am Dienstag. Stattdessen seien Kunst, Geschichte und Vermögen getrennt worden.
Die Eröffnung sollte Brumlik Recht geben. Trotz der massiven Einwände im Vorfeld der Schau wird die Kunstsammlung ohne die von Politikern, Künstlern oder auch Mitgliedern im Zentralrat der Juden geforderte Dokumentation zur Geschichte der Familie sowie deren Rolle in der Nazizeit gestartet. Stattdessen verteidigten Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) und SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann die so gestaltete Präsentation der Flick-Collection – mit Einschränkungen. Der berechtigte Vorwurf gegenüber NS-Waffenfabrikanten dürfe nicht die Kunstsammlung des Enkels zur Gefangenen der Vergangenheit machen, sagte Weiss: „Kunst lässt sich nicht als Geisel nehmen. Kunst spricht für sich.“
Lehmann, der für sein blauäugiges Engagement zugunsten Flicks lange gescholten worden war, betonte, die Ausstellung bedeute die Chance, sich mit der Vergangenheit der Familie und des Konzerns zu beschäftigen: „Gerade weil wir die Kunstsammlung nicht wegschließen, ermöglichen wir eine Debatte zu den Fragen der Vergangenheitsbewältigung.“
Dennoch muss sich Lehmann den Vorwurf gefallen lassen, sich zu spät dieses Themas angenommen zu haben. Zugleich ging der SPK-Chef erneut mit den Kritikern scharf ins Gericht, hätten doch diese sich in „verunglimpfender Weise“ Flick und dem Vorhaben insgesamt gegenüber verhalten. Dies seien „unwürdige“ Positionen, wie sie vor Jahren in Zürich vertreten wurden. Dort war Flick bei dem Versuch gescheitert, seine Sammlung zu zeigen. Und Mick Flick selbst? Der gab sich gestern, nach den Wochen unter Stress und „Spießrutenlauf“, recht „stolz“ und „nachdenklich“ zugleich – und ganz als Sammler. „Die Kunst und Künstler können für die Geschichte nicht haftbar gemacht werden“, sagte er. Und er wolle sich Verantwortung auch weiterhin nicht „vorschreiben lassen“. Die Diskussion über die Verbrechen seines Großvaters dürfe die Kunst nicht überschatten.