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Archiv-Artikel

Traum von Sachsen

Mit dem Wahlsieg sieht sich auch die Berliner NPD im Aufwind. Doch von Sachsen ist sie noch weit entfernt

Seit dem gescheiterten Verbotsverfahren vor einem Jahr galt die NPD in Berlins rechter Szene als abgeschrieben. Der Grund: ein Richtungsstreit vermischt mit persönlichen Animositäten, der unter anderem im April 2003 zur Spaltung des bis dahin gemeinsamen Landesverbandes Berlin/Brandenburg führte. Immer mehr Angehörige der rechten Szene hatten seither der NPD den Rücken gekehrt. Ein Trend, von dem noch im Juni auch der Berliner Verfassungsschutz berichtete – unter Berufung auf Daten aus dem Jahr 2003.

Doch seit Jahresbeginn hat sich einiges getan. Zum Beispiel im Vorfeld des diesjährigen 1. Mai. Während die Straßennazis aus der rechtsextremen Kameradschaftsszene auf der einen Seite und biedere Partei-Kader der NPD auf der anderen sich 2003 noch spinnefeind waren und zu getrennten Aufmärschen mobilisierten, kam es in diesem Jahr zum Schulterschluss. Gemeinsam schafften sie es, mehr als 170 rechtsextreme Gruppen unter einem Dach vereint für den Aufmarsch am 1. Mai nach Berlin zu holen.

Dies war der Auftakt einer Debatte, die in den Sommermonaten bundesweit in der rechten Szene intensiv weitergeführt wurde. Der NPD-Wahlsieg in Sachsen am vergangenen Wochenende bildete sicherlich nur einen vorläufigen Höhepunkt.

Ähnlich wie Mitte der 90er-Jahre, als die NPD zum Sammelbecken für Kader verbotener Organisationen wurde, scheint die NPD ihre Scheu gegenüber dem militanten Kameradschaftsspektrum erneut abzustreifen. In diesen Tagen ruft sie in einer Erklärung zur „Einheit aller nationalen Kräfte in Deutschland“ auf. Die NPD bekenne sich „zur Gesamtbewegung des nationalen Widerstands“, heißt es da, also auch zum Kampf auf der Straße.

Dieser Aufruf könnte auch den nach wie vor schwachen Berliner Landesverband zu neuem Schwung verhelfen. Der führt spätestens seit dem Austritt des Aktivisten René Bethage und jetzigen Kameradschaftskaders der „Berliner Alternative Südost“ (BASO) vor einem Jahr ein kümmerliches Dasein. Jetzt, wo es aber bundesweit eine Eintrittswelle von Kameradschaftsmitgliedern in die NPD gibt, könnte sich auch die Berliner Szene wieder zu diesem Schritt durchringen. „Es ist Bewegung festzustellen“, sagt eine Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes. Und fügt hinzu: „Der Samstag könnte spannend werden.“

FELIX LEE