Drogenpolitik à la Mexicana

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erklärt einem mexikanischen Fernsehclown, wie er Drogenpolitik in Berlin machen will – und brüskiert damit seine Koalitionspartner und den Senat

von ADRIENNE WOLTERSDORF

„Brozo“ heißt der gebräunte Mann mit der grünen Langhaarperücke und der roten Plastiknase. Er ist der Clown des mexikanischen Frühstücksfernsehens. Sein gestriger Studiogast: Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister besucht zurzeit eine Woche lang Mexiko-Stadt, um dort ein Jahrzehnt Städtepartnerschaft mit Berlin zu feiern. Ausgerechnet dem Fernsehclown offenbarte Wowereit (SPD) nun, dass er gegen eine liberale Drogenpolitik in Berlin ist. „Wir müssen aufpassen, dass junge Leute nicht in die harte Drogenszene abrutschen“, sagte er und provozierte damit gestern Nachmittag empörte Kommentare.

Prompte Zustimmung erhielt der Stadtchef von konservativer Seite. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, meinte: „Wenn der Regierende die Freigabe von Drogen ablehnt, hat er unsere Unterstützung.“ Henkel betonte, dass sich die CDU gegen die Verharmlosung und Legalisierung auch weicher Drogen wende. „Leider kein Witz“, kommentierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz die mexikanische Clownerie. Wowereit wolle offenbar allen Expertenmeinungen zum Trotz nach wie vor den Besitz von kleinsten Mengen Cannabis strafrechtlich verfolgen.

Der drogenpolitische Sprecher der Liberalen-Fraktion, Martin Matz, mutmaßte gar, Wowereit habe sich „zwischen zwei Corona-Bieren“ zu Wort gemeldet und mal eben die Auffassung der Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) sowie der SPD-Fraktion zur Entkriminalisierung von Cannabis „für falsch“ erklärt. Dabei, so Matz, befinde sich „eine Verbotspolitik à la Wowereit schon seit dreißig Jahren in einem Prozess des Scheiterns“.

Die angeblich brüskierte Senatorin gab sich unterdessen „unaufgeregt“, wie ihre Sprecherin Roswitha Steinbrenner mitteilte. Knake-Werner stehe ungeachtet des mexikanischen Frühstücksfernehens weiter für die Entkriminalisierung weicher Drogen und die Einführung einer Legalisierung des Eigenbesitzes von bis zu 15 Gramm Cannabis. Die Gesundheitssenatorin sehe keinerlei Grund zur Kursänderung, da es sich bei den Äußerungen Klaus Wowereits um seine Privatmeinung handele. Tatsächlich schrieb der Regierende in seinem „Mexiko-Tagebuch“ in der Bild-Zeitung: „Vor dem Hintergrund der Situation in Mexiko sagte ich meine persönliche Meinung. […] Anders als viele in meiner Partei und der Koalition bin ich gegen die Freigabe. Ich habe ganz gute Kontakte zur Drogenhilfe Tannenhof.“ Mit deren Erkenntnissen begründete Wowereit schließlich seine Haltung, dass auch weiterhin verfolgt werden solle, wer mehr als 6 Gramm Haschisch in der Tasche habe. „Bedauerlich“ nannte diese Privatmeinung Minka Dott, drogenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion. Denn damit falle der Regierende hinter die Intentionen der Koalitionsvereinbarungen sowie die im Parlament laufenden Debatten zurück. Daran möge er denken, wenn er das „nächste Fläschchen Wein genussvoll leert“.