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Archiv-Artikel

Frohe Botschaft aus Ostdeutschland

Lebensbedingungen in Ost und West würden sich angleichen, erklärte Aufbauminister Manfred Stolpe bei der Präsentation des „Jahresberichts Deutsche Einheit“. Wachstum stärker als im Westen – wenn man den Effekt der Baukrise herausrechnet

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Auch das Kabinett hat zuweilen das Bedürfnis, gute Nachrichten zu hören. So lud man gestern Peer Giesecke ins Kanzleramt, den SPD-Landrat von Teltow-Fläming an der Grenze Berlins. Giesecke vertritt eine der wachstumsstärksten Regionen Ostdeutschlands. Der für den Aufbau Ost zuständige Minister Manfred Stolpe brachte seinen Parteikollegen auch auf die anschließende Präsentation seines „Jahresberichts zum Stand der Deutschen Einheit“ mit. „Es ist nicht so“, erklärte Giesecke dort den Journalisten, „dass nur noch Leute im Osten wohnen, weil sie sich keine Fahrkarte in den Westen leisten können“. Die Ostdeutschen seien „stolz auf das Erreichte“.

Das passt zur optimistischen Grundhaltung des Berichts, der so etwas wie eine „Halbzeitbilanz“ (Stolpe) darstellt, schließlich endet dieses Jahr nach 15 Jahren der Solidarpakt I, um ab 2005 für weitere 15 Jahre vom Solidarpakt II abgelöst zu werden. Dieser soll mit weiteren 156 Milliarden Euro direkten Transfers den Aufbau Ost abschließen. Nach den ersten fünfzehn Jahren schließe sich die Schere zwischen den Lebensverhältnissen in Ost und West, sagte der Minister. Angesichts der Wachstumsraten im verarbeitenden Gewerbe befänden sich die Neuen Länder „auf einem guten Weg“.

Tatsächlich holt der Osten bei der Produktivität – also der Wirtschaftsleistung pro Erwerbstätigen – auf. Lag sie 1991 ohne Berlin noch bei 33,4 Prozent der Westproduktivität, stieg sie bis 2003 auf immerhin 74,6 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt im Osten wuchs allerdings von 2000 bis 2002 langsamer als im Westen. Zwar lag es 2003 rund 0,3 Prozentpunkte höher als im Westen, doch im ersten Halbjahr dieses Jahres war es schon wieder kleiner. Im ersten Jahrzehnt war die Ost-Wirtschaft noch rascher gewachsen als im Westen.

Den Unterschied macht die Bauwirtschaft, die nach dem Bauboom der ersten Jahre inzwischen stark unter Druck ist. Rechnet man sie heraus, kommt der Osten zwischen 1992 und 2003 im Schnitt auf ein Wachstum von 3,7 Prozent pro Jahr – im Westen bloß auf 1,2 Prozent.

Die Bundesregierung will künftig den Aufbau Ost neu konzipieren. Dabei wolle man die Förderung auf Wachstumskerne, so genannte Cluster, konzentrieren, erklärte Stolpe. „Jedes der Länder hat in den vergangenen Jahren eigene Schwerpunkte und Stärken entwickelt.“ Trotzdem sollen die ländlichen Regionen nicht vernachlässigt werden. Stolpe verwies in diesem Zusammenhang als Beispiel auf die Programme von Agrarministerin Renate Künast (Grüne) zum Anbau nachwachsender Rohstoffe. „Es gibt keine Region in Ostdeutschland, die verloren ist.“ Trotz dieses neuen Konzepts, erklärte der Aufbau-Ost-Minister, auch weiterhin nach Großinvestoren zu suchen. „Die Idee der Ansiedelung geben wir nicht auf“, sagte Stolpe. „Es gelte, „die Lücken im Industriebesatz“ zu schließen.

Stolpe räumte ein, dass der Einfluss des Bundes auf die Verwendung der Ostmilliarden gering sei. Über die Solidarpakt-Gelder können die Länder weitgehend frei verfügen. Allerdings werde der Bund eigene Förderprogramme, etwa für Forschung, nach der neuen Strategie ausrichten. Finanzminister Hans Eichel kritisierte gestern denn auch, dass die Investitionsfördermittel in Höhe von 3 Milliarden Euro jährlich zu einem großen Teil konsumptiv verwendet würden. „Das ist nicht in Ordnung.“

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