: „Bewohner empfinden das als Provokation“
Joachim Zeller, CDU-Bürgermeister von Mitte, fühlt sich brüskiert, weil die Polizei ihn nicht über die NPD-Demo in seinem Bezirk informiert hat. Es versteht auch nicht, wieso Weddinger Türken unpolitischer sein sollen als Kreuzberger
taz: Herr Zeller, durch Kreuzberg darf die NPD nicht marschieren. Das zuzulassen wäre „Volksverhetzung“, sagt der Innensenator. Wie finden Sie, dass der Aufzug nun im Wedding stattfindet?
Joachim Zeller: Was für Kreuzberg gilt, gilt genauso für den Wedding. Im Soldiner Kiez leben 50 Prozent Migranten, dort gibt es auch Moscheen. Ich bin mir sicher, dass die Bewohner einen NPD-Aufmarsch als Provokation empfinden werden.
Wie werden die Leute reagieren?
Ich hoffe, insbesondere die Migranten wissen, dass es sich um eine extremistische, aber kleine Minderheit handelt, deren Ziele von der übergroßen Mehrheit nicht geteilt werden.
Ist der NPD-Aufzug noch abzuwenden?
Ich versuche, mit Polizeiführung und Innenverwaltung ins Gespräch zu kommen, zumal zeitgleich im Soldiner Kiez ein Behindertenfestival stattfindet. Bei den Verantwortlichen scheint sich aber zu verhärten, man habe die optimale Route gefunden.
Sind Sie in die Entscheidung einbezogen worden?
Nein. Ich habe das mehr oder weniger per Zufall erfahren.
Fühlen Sie sich brüskiert?
Ja, zumal ich wiederholt bei der Polizei angemahnt habe, dass der Bezirk schnellstens Kenntnis bekommt, wenn derartige Veranstaltungen stattfinden. Das ist uns mehrfach zugesagt worden, aber wieder nicht geschehen. Die Zusammenarbeit mit der für uns zuständigen Polizeidirektion 3 ist im Prinzip gut. Im konkreten Fall ist aber die Direktion 1 zuständig. Es ist Sache des Innensenators, die Bürgermeister der betroffenen Bezirke einzubeziehen.
Der Polizeieinsatz wird schon mit dem am 1. Mai verglichen. Diesmal geht es aber wirklich um was.
Richtig. Es geht um eine politische Auseinandersetzung, weil die Neonazis nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen frech ihr Haupt erheben.
Sind Weddinger Türken unpolitischer als Kreuzberger?
Ich weiß nicht, woher die Polizei das nimmt. Im Wedding gibt es andere Migrantenorganisationen als in Kreuzberg, aber deshalb sind sie nicht unpolitischer – schon gar nicht in der Reaktion auf Rechtsextreme, die Fremdenhass propagieren.
Wie lautet Ihre Prognose für Samstag?
Ich hoffe, dass alle Seiten besonnen bleiben. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es aus Wut heraus zu Auseinandersetzungen kommt.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE