: Wowereit geht zum Angriff über
Regierender Bürgermeister stellt sich im Parlament hinter Sarrazin. Opposition fordert wegen der Anklage in Tempodrom-Affäre erneut Rücktritt des Finanzsenators
Mal stützte seine Faust das Kinn, mal die Wange. Mal lag der Zeigefinger an der Unterlippe, mal am Ohr. Und einige Male schüttelte er den Kopf. Das waren die einzigen Regungen bei Thilo Sarrazin. Dabei ging es im Abgeordnetenhaus gestern um seine politische Zukunft, dabei sah sich der SPD-Finanzsenator als finanzpolitischer Rambo und Trickser dargestellt. Sarrazin hörte aber auch seinen Parteifreund Klaus Wowereit. Der stellte sich klarer hinter ihn denn je: Trotz Anklage wegen Untreue in der Tempodrom-Affäre soll Sarrazin im Amt bleiben können – „er hat das Vertrauen des Regierenden Bürgermeisters, des Senats und der Regierungskoalitionen“.
In einer starken Rede kritisierte Wowereit, dass eine Finanzentscheidung zum Tempodrom – das Sponsoring durch die landeseigene Investitionsbank im Herbst 2002 – überhaupt juristisch bewertet wird. Eine Anzeige der CDU-Fraktion hatte vergangenen November die Staatsanwaltschaft in Bewegung gesetzt. Politische Konflikte seien politisch auszutragen, warf Wowereit der Union vor. Und verwies auf die CDU-Fraktionsklausur vergangenes Wochenende, für ihn „eine steuergeldfinanzierte Vergnügungsreise“ nach Warschau. „Soll ich jetzt auch zur Staatsanwaltschaft gehen und Anzeige erstatten, weil Sie Steuergelder verschwendet haben?“
Zudem fehlte Wowereit das Maß: CDU und Grüne hätten die Grundlagen der Tempodrom-Finanzierung mitgelegt. Ausgerechnet die kleinste Finanzspritze – 1,7 Millionen Euro gegenüber 7 Millionen Rettungsbeihilfe und 10 Millionen Landesbürgschaft – solle nun den Tatbestand der Untreue erfüllen?
Für CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer ist Wowereits Kritik verkehrte Welt: „Nicht derjenige, der das Unrecht ans Tageslicht bringt, ist der Übeltäter, sondern der, der es begeht.“ Für ihn wie Grüne und FDP zeigt der Vorgang, dass vom von Rot-Rot propagierten Mentalitätswechsel nichts geblieben sei. SPD-Fraktionschef Michael Müller wollte ein Defizit bei diesem Wechsel gar nicht bestreiten: „Wir haben es nicht geschafft, die CDU-Fraktion mitzunehmen.“
Über den Finanzsenator sagte Müller: „Es stimmt, Thilo Sarrazin ist oft unbequem.“ Für Berlin und auch für die SPD. Aber er sei eben auch gut für Berlin. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann wollte das gar nicht bestreiten. Sarrazin habe sich viele Verdienste erworben. Und doch müsse er zurücktreten: „Sie haben als oberster Haushälter versucht, zu tricksen“, warf Ratzmann ihm vor. Sarrazin habe versucht, gezielt am Parlament vorbei Gelder an das Tempodrom zu schieben, habe „seinem Amigo Strieder“, dem ebenfalls angeklagten Ex-Bausenator, einen Gefallen tun wollen.
Sarrazin hörte und schwieg. Der angebliche Amigo trat im April zurück. Sarrazin will bleiben. STEFAN ALBERTI