Metaller schweigen den Kanzler an

Frostige Stimmung bei Gerhard Schröders Rede zur aktuellen Lage vor 600 IG-Metall-Delegierten in Hannover. Der Bundeskanzler stößt mit seinen Reformvorschlägen auf breite Ablehnung und erntet mehr Pfiffe und Buhrufe als Applaus

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Das Plakat mit der Aufschrift „Gerhard Schröder – Totengräber des Sozialstaates und der SPD“ hatte der Kanzler gestern während seiner 55-minütigen Rede vor der IG Metall in Hannover zentral im Blick. Weiter links hatten Teilnehmer des Gewerkschaftstages gleich 60 kleine Plakate zu einer Kette von Forderungen aufgereiht, die von „Weg mit der Agenda 2010“ über „Volksvertreter keine Marionetten“ bis zu „Ihren Rücktritt“ reichten.

Einen Proteststurm löste die Visite des Kanzlers dennoch nicht bei 600 Delegierten aus, die immer noch mehr als 2,5 Millionen IG-Metall-Mitglieder repräsentieren. Zwar wurde die Rede des Kanzlers weit öfter von Pfiffen und Buhrufen als von Applaus unterbrochen. Allenfalls dreimal rührte eine kleine Minderheit der Zuhörer zaghaft für den SPD-Vorsitzenden die Hände. Die meiste Zeit jedoch verfolgte der Gewerkschaftstag schweigend die Ausführungen des Bundeskanzlers, der ihm allerdings auch jedwede frohe Botschaft schuldig blieb. Da verwies der Kanzler auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes, nach dem in anderen europäischen Ländern gegründete Unternehmen auch in Deutschland ihrem heimischen Recht und nicht den deutschen Mitbestimmungsregeln unterliegen. Über die daraus entstehenden Probleme könne man sich „in ruhigeren Zeiten“ durchaus unterhalten, bot Schröder an. Ansonsten stritt er wie gewohnt für die „Zusammenlegung- von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“, betonte, dass sich die „Probleme des Sozialstaates nicht mehr einfach über Wachstum auflösen“ ließen, und kündigte zum Ärger der Zuhörer auch „eine Reihe von Einschnitten“ bei den Rentnern an. Natürlich warteten die Jungen IG Metaller vergeblich auf konkrete Schritte hin zur Ausbildungsplatzabgabe. Der Kanzler mochte auch kein flammendes Bekenntnis zur Tarifautonomie abgeben: Die Tarifparteien müssten das Verhältnis von zentraler Verhandlungsmacht und betrieblichen Möglichkeiten in eigener Verantwortung neu bestimmen, so Schröder.

Dass man dem Kanzler „zumindest mit eisigem Schweigen begrüßen“ werde, hatten einzelne Delegierte schon im Vorfeld der von Schröder stur durchgestandenen Rede angekündigt. SPD-Wähler konnte man gestern zuhauf unter den Delegierten des IG-Metall-Gewerkschaftstages entdecken – Fans der realen Schröder’schen Politik waren jedoch nicht auszumachen. Der IG-Metall-Bezirksleiter Küste, Frank Teichmüller, fasste das Verhältnis von IG Metall und SPD mit den Worten zusammen: „Noch nie in den letzten 50 Jahren hat es eine derartig unterschiedliche Bewertung der Wirklichkeit zwischen uns und der Regierungs-SPD gegeben.“ Schröder kämpfe um den „Erhalt seiner Regierung“ und steuere „frontal auf eine Konfrontation“ zu.

Bei allem Unmut droht die IG Metall allerdings keineswegs mit einem heißen Herbst. Ein Antrag des IG-Metall-Vorstandes zur Agenda 2010, den die Delegierten am Freitag beraten sollen, erwähnt nur beiläufig eine Kampagne, die „noch auf die Entscheidungen im Bundestag und Bundesrat“ reagieren soll.