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Proteste in Haitis Katastrophengebieten

Wegen der mangelnden Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten wächst die Verzweiflungbei den Opfern des Tropensturms „Jeanne“. Hilfsorganisationen befürchten den Ausbruch von Cholera und Typhus

GONAIVES/BERLIN afp/ap/taz ■ In der vom Tropensturm „Jeanne“ besonders betroffenen Stadt Gonaives im Norden Haitis haben wütende Einwohner gegen die ausbleibende Hilfe protestiert. „Wir haben kein Wasser und nichts zu essen“, sagte Frantz Bernier, der sich an der Aktion beteiligte. „Wir haben gar nichts.“

Zwar konnte nach Angaben der Vereinten Nationen bereits am Donnerstag mit der Verteilung von Lebensmitteln an die Bevölkerung begonnen werden, doch es bestehen nach wie vor Probleme, über die überfluteten Straßen in die Stadt vorzudringen.

Wegen der schlechten hygienischen Bedingungen warnten Hilfsorganisationen vor einem Ausbruch von Seuchen. Der Gesundheitsexperte der Hilfsorganisation Oxfam, Joe Fay, wollte einen Ausbruch von Cholera und Typhus nicht ausschließen. Um die drohende Gefahr einzudämmen, haben Hilfskräfte damit begonnen, die Leichen in Massengräbern beizusetzen, da die Leichenhallen ohne Stromversorgung sind und die Leichen nicht gekühlt werden können. Auch die Brunnen in der Stadt sollen möglichst schnell wieder instand gesetzt werden.

Ein Reporter der Nachrichtenagentur AP berichtete, eine Menschenmenge habe die Beerdigung einer ganzen Wagenladung voller Toter gestoppt – aus unterschiedlichsten Gründen. Während Friedhofsarbeiter Geld für ihre Tätigkeit verlangten, wehrten sich andere aus religiösen Gründen gegen Massenbestattungen, und wieder andere forderten wütend, die Behörden sollten endlich die Leichen aus den überfluteten Feldern bergen und bei der Vermisstensuche helfen.

Die Lebensmittel, die bisher in Gonaives angekommen seien, würden für die große Zahl an Bedürftigen nicht ausreichen, klagte der Rot-Kreuz-Helfer Hans Havic. „Die Menschen sind in einer verzweifelten Situation.“ So kommt es auch immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Eine Gruppe von Männern griff nach Angaben der Behörden vier Polizisten an, die einen Hilfstransport begleiteten, und stahlen Wasser. Vor allem daran mangelt es in Gonaives. „Wir müssen das Wasser trinken in dem Menschen gestorben sind“, sagte ein Farmer. Außerdem fehlt es an Medikamenten und medizinischer Betreuung. Mehrere hundert Hilfsbedürftige durchbrachen am Donnerstag einen Bretterzaun und stürmten in das einzige Krankenhaus in Gonaives, das noch in Betrieb ist – mit einem einzigen Arzt.

Der Tropensturm „Jeanne“ ist unterdessen weitergezogen und könnte am Wochenende auf die dicht besiedelte Ostküste von Florida treffen, sagte ein Sprecher des Katastrophenschutzes am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in Miami. Sorge bereite den Behörden die Gefahr von Überschwemmungen auf den durch die Hurrikans „Frances“ und „Ivan“ getränkten Böden. Im Bezirk Palm Beach bereiteten sich die Behörden auf eine Evakuierung vor. „Jeanne“ bewegte sich gestern nach Angaben des US-Hurrikanzentrums von Miami mit Windgeschwindigkeiten von 165 Stundenkilometern und einer Schnelligkeit von 13 Stundenkilometern auf die Bahamas zu. FK

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