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Archiv-Artikel

Permanenter Konfrontationskurs

Bei den Paralympischen Spielen in Athen 2004 spielt die deutschen Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft nur eine Außenseiterrolle. Für die Spieler um den Frechener Bernd Janssen geht es vor allem um den Spaß am harten Spiel

ATHEN taz ■ Mit einem lauten Knall stoßen die Rollstühle zusammen. Die Wucht des Aufpralles hebt die beiden Männer für Sekunden aus ihrem Sitz, nimmt ihnen für einen kurzen Moment die Kontrolle über das metallene Fuhrwerk. Doch schon im nächsten Augenblick haben sie sich wieder gefasst, ihre Augen kleben am Ball und die Hand am Rad.

Wer Rollstuhlrugby spielt, macht keine Kompromisse. 1996 hat der gebürtige Frechener Bernd Janssen mit dem angriffslustigen Sport angefangen. Ein Jahr später war er bereits Mitglied der Nationalmannschaft. Nun ist der Sportler vom RSC Köln bei den Paralympischen Spielen in Athen und mischt kräftig mit. „Rollstuhlrugby ist einfach ein klasse Mannschaftssport. Und außerdem eine gute Möglichkeit für mich Aggression abzubauen.“

14 Spielern rollen, schubsen und kreiseln nun in Athen über das Feld, immer das Ziel vor Augen, den weißen Ball möglichst oft hinter der Ziellinie des Gegners zu versenken. Transportiert wird der Ball dabei auf den Knien, die Gegner aus dem Weg geräumt mit dem Rollstuhl. „Die Rollstühle sind alle Maßanfertigungen. Extrem stabil und individuell auf den Spieler abgestimmt“, erklärt Bernd Janssen. Müssen sie auch sein, denn bei dem kontaktfreudigen Spiel sind Körperberührungen tabu. Die meisten Rollis sind dabei nach vorne und an den Seiten mit einer Art „Stoßstange“ ausstaffiert, die Räder speichenlos und mit Klebespray versehen. „Wir treiben schließlich auf Metall an“, erklärt Bernd Janssen, „da braucht man extrem gute Haftung.“

Wie viele seiner Mannschaftskollegen, ist auch er aufgrund eines Autounfalls Paraplegiker. Die fehlenden Bauchmuskeln werden durch einen Bauchgurt wettgemacht, der ihn am Sitz hält. Die Beine sind mit festgegurtet und das nicht ohne Grund. „Wir sind sozusagen mit dem Stuhl verschweißt“, beschreibt Bernd Janssen, „wenn man dann umkippt, liegt man wie eine Schildkröte auf dem Bauch. Dann muss man warten, bis jemand kommt der einen wieder aufrichtet und es geht weiter.“ Ist der Aufprall zu hart, platzt auch schon einmal ein Reifen. Dann gibt es einen kurzen “Boxenstopp“ und alles wird blitzschnell ausgetauscht.

Mehr als Platz fünf bis acht wird es aber wohl dieses Jahr bei den „Extremrollern“ nicht geben. Im letzten Spiel gegen die USA holte Bernd Janssen leider nur zwei Punkte. Zuwenig um der Mannschaft zum Weiterkommen zu verhelfen. Aber schließlich handelte es sich bei den Amerikanern auch um die auf Platz eins gesetzte Mannschaft. „Die Amerikaner sind einfach zu stark und ein zu gut eingespieltes Team. Obwohl wir jeden Spieler in und auswendig kennen, gehen wir hier physisch und psychisch an unsere Grenzen.“ Dennoch, geschlagen geben sich die Männer mit dicken Muskelpaketen an den Oberarmen noch lange nicht. Um ihre Endplatzierung wollen sie noch einmal so richtig kämpfen. Und das könnte, angesichts der in vier aufeinander folgenden Niederlagen angestauten Aggression, auch richtig gut werden. LUCIA LENZEN