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Archiv-Artikel

eu-verfassung Die Union der Ewiggestrigen

Über die beste Taktik wurde beim EU-Konvent zur Reform der Europäischen Union fünfzehn Monate lang spekuliert: Wären die 105 Teilnehmer gut beraten, lediglich die in Laeken von den Regierungschefs gestellten präzisen Fragen zu beantworten? Sollten sie mehrere Optionen zur Wahl stellen oder sich gar mit einem eigenen kühnen Verfassungsentwurf hervorwagen?

Kommentarvon DANIELA WEINGÄRTNER

Konventspräsident Valéry Giscard d’Estaing entschied sich am Ende für einen Kompromiss aus diesen möglichen Varianten und setzte ihn gegenüber den Delegierten auch durch: Heraus kam ein Verfassungstext aus einem Guss, der mögliche Vorbehalte der Regierungen vorwegzunehmen versucht und sich nicht für Kühnheit, sondern für Machbarkeit entscheidet.

Einige Konventsteilnehmer, vor allem aus den Reihen des Europaparlaments, warnten schon damals vor der Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners. Es sei ein taktischer Fehler, die Verhandlungsmasse schon jetzt zu verteilen und mögliche Spielräume auszuschöpfen. Dass sie Recht behalten haben, zeigt sich schon nach zwei Sitzungen der Staats- und Regierungschefs.

Die Frage, ob das Gesamtpaket des Konvents noch einmal aufgeschnürt wird, ist von der Wirklichkeit längst überholt worden. Die Einzelteile liegen bereits verstreut auf dem Verhandlungstisch. Nur unverbesserliche Optimisten glauben jetzt noch, dass darin die eigentliche Chance besteht. Am Ende, so prophezeien sie, werde alles wieder eingepackt, weil keine Alternative in Sicht sei. Das setzt aber voraus, dass alle Beteiligten das Gemeinwohl höher bewerten als ihr nationales Eigeninteresse.

Giscard hatte darauf gesetzt, dass die Runde der fünfundzwanzig nicht ein Ergebnis verwerfen kann, das nationale Empfindlichkeiten ausbalanciert und von allen Regierungsvertretern mit unterzeichnet wurde. Die Regierungschefs haben damit offensichtlich überhaupt kein Problem. Sie gehen vom kleinsten gemeinsamen Nenner aus weiter zurück und landen hinter den Kompromissen von Nizza.

Das bedeutet nicht das Ende der Union. Schließlich wurden die EU-Verträge schon bisher alle zwei Jahre verschlimmbessert. Doch der Konvent sollte nicht nur die EU handlungsfähiger machen, sondern auch die Bürger für Europa begeistern. Gerade die Jugendorganisationen, die den Konventsprozess engagiert begleitet haben, werden sich nun achselzuckend wieder abwenden von dieser Union der Ewiggestrigen.

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