Souverän: Bremens Schildpolitik

Der Bremer Bausenator hat ein neues Mittel zur Sicherung der gefährdeten Eigenstaatlichkeit entdeckt: Das Aufstellen von Autobahnbegrüßungsschildern. Sie sollen das allseits anbrandende Niedersachsen in seine (ästhetischen) Schranken weisen

aus Bremen Henning Bleyl

Die Bremer wehren sich mit allen Mitteln. Als Gallier des Nordwestens schützen sie ihren Inselstaat vor der immer wieder drohenden Überflutung durch das ausländische Umland: Nach dem Kampf um den Länderfinanzausgleich sollen jetzt auch ästhetische Barrieren gegen das von allen Seiten anbrandende Nieder-sachsen errichtet werden.

Neue Ikone des Widerstandes ist ein kleines Papierschiffchen. Noch dieses Jahr wird es – in Gestalt von Autobahnbegrüßungsschildern – an den Landesgrenzen postiert. Die knapp 60 auf Bremer Grund liegenden Autobahnkilometer sollen so zu Souveränitätsimageträgern ersten Ranges mutieren. Bausenator Jens Eckhoff, Motor der Schildoffensive, betont: „Wir würden sonst jeden Tag 100.000 Blickkontakte verschenken – allein an der A 1.“

Die 40.000 Euro zur Aufstellung von sechs Schildern seien also hervorragend investiertes Geld. Streng genommen müsste der Senator allerdings die gesamte A 1 zwischen Stuhr und Uphusen mit Grenzhinweisen flankieren, da die Strecke ständig von der gezackten Bremer Südflanke durchkreuzt wird. Auch Teile dss „Bremer Kreuzes“ liegen in Niedersachsen.

Doch der Senator denkt in größeren Zusammenhängen: Als einziges Bundesland habe Bremen bisher auf eigenes Schildmaterial verzichtet. In der Tat: Hamburg grüßt seit Jahren mit stilisierten Zinnen und Elbwogen, Schleswig-Holstein positioniert sich mit einem Abstraktum in den Landesfarben und Niedersachsen hat erst kürzlich seine Rossköpfe abgeschraubt und durch lustig winkende menschliche Gestalten ersetzt. Bremen aber kann bislang nur mit einem Bundesnorm-braunen Sehenswürdigkeitenverweis aufwarten, den altbackenen Stadtmusikanten.

Gewählt wurde nun ein wahrhaft zwingendes Motiv. Substanz (die rot-weiße Speckflagge) wie Form (das Schiff) sind urbremensisch. Und die Umsetzung ist laut Eckhoff „einfach genug, damit die Herzen der Bremer erreicht werden können.“ Ein Papierschiff habe schließlich jeder schon mal gebastelt. Der Erfolg gibt dem Senator Recht: 3.000 BürgerInnen beteiligten sich per Zuschrift an der Logo-Kür, zuvor musste eine Jury die Auswahl auf vier der gut 800 vorgeschlagenen Signets beschränken.

Das Schiff ist allerdings ursprünglich nur die eine Hälfte des Entwurfs von Gewinner Piet Claassen. Als Landesende-Motiv hatte er ein Sträusschen Vergissmeinnicht hinzudrapiert, auf das die Baubehörde mit Blick auf Bremens geringen Durchmesser aber verzichtete. Eckhoff: „Es wäre nicht klug zu zeigen, wie schnell das Abschiedsschild kommt.“

Ist Eckhoffs Aktion also eine Art Milchmädchenrechnung, eine klassische Schildbürgerei? „So lange ich mich nicht auf einem Schild durch die Stadt tragen lassen, ist dieser Vorwurf ungerechtfertigt“, kontert der Senator. Im Übrigen stärke seine Initiative auch das Selbstbewusstsein der BremerhavenerInnen, die über 15 Kilometer A 27 verfügen.

Was aber passiert, wenn trotz all‘ dieser Anstrengungen die Selbständigkeit Bremens – 2004 laufen die Sanierungshilfen des Bundes aus – zusammenfällt? Selbst auf den Souveränitäts-GAU ist Eckhoff vorbereitet: „Dann überkleben wir die Schilder und verweisen auf Bremen als kreisfreie Stadt.“