: Unter Freunden in Reinickendorf
Früher grillten sie zusammen, dann kamen die kleinen Sabotagen, die versteckten Videokameras – heute treffen sie sich nur noch mit ihren Anwälten vor Gericht
Carsten-Michael W. und Dieter Wo. kennen sich schon lange. Bis vor kurzem waren sie Nachbarn. Sie teilten sich einen Garagenvorplatz. Früher haben sie zusammen gegrillt, die Familien W. und Wo. aus Reinickendorf. Die W.s sind zu den Wo.s rübergegangen, sie haben sich besucht, miteinander Biere getrunken und Würste gegessen. „Die Kinder haben ,Guten Tag‘ gesagt“, erzählt Carsten-Michael W.
Jetzt sitzt W. vor Gericht wegen Dieter Wo. Wie ein Krimineller. Zur Verteidigung hat W. sich einen schwarzen Aktenkoffer mitgebracht. Aus dem Koffer holt er einen Packen Papier, wo er alles aufgeschrieben hat, die Einzelheiten einer gestörten nachbarschaftlichen Beziehung. Er weiß, was er zu tun hat. Die beiden haben schon öfter gegeneinander Prozesse geführt. Zum Beispiel wegen der Garagenabdeckung oder den Betonplatten auf dem Vorplatz.
Diesmal geht es um die Fußmatte. Der Angeklagte soll sich am 31. Oktober 2001 auf das Grundstück von Wo. geschlichen haben, die Unterseite der Matte mit Kot beschmiert und sich wieder davongemacht haben. „Die Matte befand sich hiernach in nicht mehr gebrauchsfähigen Zustand“, sagt die Anklage.
Es gibt Beweise für die Tat. Nachbar Wo. hat alles auf Video. Seit Monaten hatte er Überwachungskameras aufgehängt. „Ich musste ja mit allem rechnen“, erklärt er. Die Kameras filmten 24 Stunden am Tag. Sie sollten W. überführen.
Denn das Verhältnis ist schon seit Jahren kein gutes mehr. Dieter Wo. zählt auf: Sein Nachbar habe einen Holzpfropfen in die Dachrinne gestopft, damit das Wasser nicht abläuft. Er habe Teile des Außenkamins gestohlen, auch einen Videorecorder aus der Garage. Er habe Laub vor die Einfahrt gekehrt, die linke Blinkerkappe seines Autos abgeschraubt, mit einer Leiter gegen die Hauswand geschlagen und ins Kellerfenster gepinkelt.
W. hält dagegen. Er sagt, Dieter Wo. schlage seine Frau. Er selbst gibt nur die Sache mit der Fußmatte zu. Er habe sie indes nicht mit Kot beschmiert. Sondern mit Ton. Er zieht ein Polaroidfoto aus der Aktentasche. Aber Wo. lässt das nicht gelten. Er hat damals eine Reinigungsfirma beauftragt. Sie hat die Fußmatte mit einem Hochdruckgerät gesäubert. „Der Mann vom Reinigungsdienst kann sich heute noch an den Geruch erinnern!“, schimpft er.
Aber die Reinigungsfirma ist noch nicht alles. Dieter Wo. hat eine lange Liste gemacht, er hat den Stromverbrauch seiner Videokameras ausgerechnet, das Geld für die Reinigungsfirma dazugezählt und die Kosten für einen angeblich von W. demolierten Bewegungsmelder. Er will jetzt 1.394 Euro haben von W. Der Angeklagte schnaubt.
Aber es hilft nichts. Die Richterin hat keinen Sinn für die Details einer sorgsam gepflegten Feindschaft, sie fällt ihr Urteil: 1.000 Euro muss der Angeklagte zahlen.
Vor kurzem ist Dieter Wo. umgezogen. „Um wieder mehr Lebensqualität zu bekommen“, sagt er. W. glaubt ihm nichts mehr: „Er ist nur ausgezogen, um mir eins auszuwischen.“
KIRSTEN KÜPPERS