: Platzverweis für Frauen
Auch die Frauen sollen sparen. Mit der Frauenbewegung haben sie sich eine wichtige Infrastruktur in der Stadt erkämpft – das soll sich ändern. Der Senat will 10 Prozent seiner Zuschüsse streichen
von PLUTONIA PLARRE
Berlin ist pleite, alle müssen den Gürtel enger schnallen. Auch die Frauenprojekte der Stadt bleiben von den Sparmaßnahmen nicht verschont. Um 1 Million Euro will die SPD-PDS-Koalition den Etat in diesem Bereich in den kommenden zwei Jahren kürzen. Wo der Rotstift angesetzt werden soll, ist allerdings noch offen. Frauenstaatssekretärin Susanne Ahlers (parteilos) sagte dazu: „Es wird Einschnitte geben, aber wir wollen alle drei Bereiche – die Antigewalt-, die Migrantinnen- und die soziokulturellen Projekte – erhalten.“
Bislang bekamen die Frauenprojekte von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen 9,2 Millionen Euro im Jahr. Finanziert wird damit die gesamte Infrastruktur in der Stadt, die sich die Frauen seit den Anfängen der 30 Jahre alten Frauenbewegung erkämpft haben: 15 Migratinnenprojekte, zahlreiche Hilfsangebote für ausländische Frauen, 6 Frauenhäuser mit 326 Plätzen, 8 freie Träger von Zufluchtswohnungen mit 230 Mutter-Kind-Plätzen, diverse Beratungstellen, 12 Frauenzentren, Stadtteil- und stadtteilübergreifende Projekte sowie einen Frauenverband. Gemessen an der Tatsache, dass Berlin im kommenden Jahr mehr als 5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen muss, scheint es auf den ersten Blick nicht viel, was von den Frauenprojekten als Sparbeitrag verlangt wird. In der Praxis sind Kürzungen um 1 Million Euro jedoch ein horrender Einschnitt, bedeuten sie doch, dass die Projekte auf über 10 Prozent ihrer bisherigen Mittel verzichten müssen. „Wir fahren schon jetzt auf einem absoluten Minimum“, sagen Angelika May und Gila Müller, Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Frauenzimmer, einer seit 18 Jahren existierenden Einrichtung, die Zimmer in Zufluchtswohnungen anbietet. „Es gibt keine Nischen mehr, wo noch etwas herauszuknautschen wäre.“ Die logische Konsequenz: Gespart werden kann nur noch durch Schließung von Projekten.
Weil sich Staatssekretärin Ahlers bedeckt hält, schießen die Spekulationen ins Kraut. Angeheitzt hat die Gerüchteküche ein Papier aus ihrem Hause, dass Ahlers als „erste Überlegungen“ bezeichnet. In dem Papier wird erwogen, den größten Anteil der geplanten „Absenkungen“, genau gesagt 47 Prozent, den Projekten des Antigewaltbereichs aufzubürden, das sind Einrichtungen wie Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen für misshandelte Frauen. Der Antigewaltbereich ist der Bereich, der mit rund 6 Millionen Euro die größte Fördersumme bekommt. Dass ausgerechnet bei den Schutzeinrichtungen gespart werden soll, wird in dem Papier mit der „konsequenten Umsetzung“ des Gewaltschutzgesetzes begründet. Das seit Anfang 2002 in Kraft befindliche zivilrechtliche Gesetz ermöglicht es Frauen, vor Gericht leichter durchzusetzen, dass nicht sie, sondern der gewalttätige Partner die gemeinsame Wohnung verlassen muss.
Seit Februar 2003 gibt es in Berlin zudem einen Passus im Polizeigesetz, nach dem die Polizei dem Täter ad hoc bis zu 14 Tage Platzverweis erteilen kann – mit durchschlagendem Erfolg, wie die Zahl von 700 mittlerweile ergangenen Platzverweisen zeigt. In dem Papier zieht die Senatsfrauenverwaltung daraus das Fazit, dass in Zukunft nicht mehr so viele misshandelte Frauen wie bisher aus ihrer Wohnung zu flüchten brauchen, weil durch die ansteigenden Platzverweise und neuen Regelungen im Wohnungszuweisungsrecht „wirksame Alternativen zur Unterbringung in einer Zufluchtsstätte“ existieren. Im Klartext: Bei den Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen könnte gespart werden.
Frauenzimmer-Mitarbeiterinnen May und Müller machen da andere Erfahrungen. Die Nachfrage von Frauen nach Schutzeinrichtungen sei unverändert hoch, sagen sie und verweisen darauf, dass die vorhandenen Räume ständig ausgelastet sind. Bei den Frauen, die in Schutzräume flüchteten, handele es sich um ganz anders Betroffene als bei den Frauen, die vom Gewaltschutzgesetz Gebrauch machten: „Die Frauen, die zu uns kommen, sind zu zwei Dritteln Migrantinnen, 30 Prozent sprechen fast kein Deutsch, 90 Prozent sind Sozialhilfeempfängerinnen.“ Die Frauen, die in ihrer Wohnung bleiben wollten, seien in der Regel psychisch stabiler und finanziell besser gestellt und hätten ein soziales Umfeld, von dem sie Unterstützung erführen. Dieselbe Erfahrung sei auch in Österreich gemacht worden, wo das Gewaltschutzgesetz schon länger in Kraft ist als in Deutschland, sagen May und Müller: „Auch dort ist die Nachfrage in den Frauenhäusern unverändert hoch.“