: Und da waren’s nur noch …
Die Montagsproteste gegen Hartz IV bröckeln, gestern gingen 3.000 auf die Straße. Das Fazit der Veranstalter: Die Großdemo am Samstag wird die letzte sein. Darüber hinaus planen sie Aktionstage
von FELIX LEE
Sie hatten zu einem „Heißen Herbst gegen Sozialabbau“ geblasen. Doch kaum hat die farbenfrohe Jahreszeit offiziell begonnen, neigt sich der Montagsprotest bereits seinem Ende zu. Zur bundesweiten Demonstration am kommenden Samstag hoffen die Berliner Aktionisten auf einen sehenswerten Auftritt der Hartz-IV-Gegner. Aber schon am Montag darauf soll es seit acht Wochen rund um den Alexanderplatz wieder ruhig werden.
Übereinstimmend haben die Befragten des Aktionsbündnisses „Weg mit Hartz IV“ bestätigt, dass die Montagsdemonstration gestern Abend die vorerst letzte ihrer Art gewesen ist. Rund 3.000 Demonstranten zählte die Veranstaltung, ein leichter Rückgang der Teilnehmerzahlen im Vergleich zur Vorwoche. „Die Luft ist raus“, gesteht Sascha Kimpel, Hauptinitiator des Aktionsbündnisses und Mitglied vom Berliner Sozialforum. Nur die linksorthodoxe und maoistische Splitterpartei MLPD will an der Montagsdemo festhalten „bis Hartz IV tatsächlich vom Tisch ist“.
Mit dem vorläufigen Ende der Montagsdemo wollen sich die Aktivisten des Aktionsbündnisses aber nicht zum vorverlegten Winterschlaf zurückziehen. Der linke FU-Politologe Peter Grottian hatte bereits im Frühsommer ein Papier mit „16 Hebelpunkten zum zivilgesellschaftlichen Ungehorsam“ veröffentlicht, ein Aktionsfahrplan gegen die Hartz-Gesetze. Vorgesehen war, ab Anfang September mit gezielter Informationsarbeit den Herbst einzuläuten, ab Anfang Oktober mit einer ersten Demonstrationen den Protest sichtbar zu machen und dann in den Folgewochen mit Aktionen wie befristeten Arbeitsniederlegungen, Besetzungen der Arbeitsagenturen und einer „feierlichen Festnahme“ von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement den Betroffenheitsprotest nach und nach zu radikalisieren.
Doch der Montagsprotest war dem Grottian-Plan zuvorgekommen. Zum Massenprotest kam es zunächst zur Freude aller Aktivisten bereits im August. Eine Freude, die schnell zu Verstimmungen unter den Bündnisteilnehmern führte.
Mit jeder weiteren Demo machte sich einmal mehr bemerkbar, dass die von Grottian vorgesehene inhaltliche und konzeptionelle Vorabeit fehlte; vor allem aber, dass die viel beschworene Einheit der Montagsdemonstrierenden sich als wackeliges Gerüst entpuppte. Zu unterschiedlich ist die Protestkultur zwischen Daueraktivisten auf der einen Seite, die seit Jahren Demos organisieren, dabei aber den Bezug zu weiten Teilen der Bevölkerung verloren haben. Und auf der anderen Seite die Hartz-IV-Betroffenen, die häufig zum ersten Mal seit 1989 wieder Protestwillen zeigen, aber noch lange nicht darauf vorbereitet waren, sich auch an radikaleren Aktionen des zivilen Ungehorsams zu beteiligen.
Einige Punkte des Grottian-Papiers wollen die Aktivisten nun nachholen. Ein Tag nach der geplanten Großdemo am Samstag lädt das Aktionsbündnis zu einer Konferenz an der Technischen Universität ein, auf der über Alternativen zu Hartz IV und Sozialabbau diskutiert werden soll. Aktionstage soll es dann von Erwerbsloseninitiativen am Weltspartag am 30. Oktober geben. Zudem rufen linke Gruppen zum Tag der Aneignung am 17. November auf, dem ehemaligen Buß- und Bettag. Der Feiertag war aufgegeben worden.
Und auch die Besetzungen von Arbeitsagenturen sollen vor Inkrafttreten von Hartz IV noch stattfinden. Ob diese Aktionen die vielen Menschen binden werden, wie es die Montagsdemos getan haben – da ist selbst Grottian skeptisch.