: Neue Debatte über Irakeinsatz
Die Entsendung türkischer Truppen wird immer unwahrscheinlicher. Selbst die USA gehen jetzt vorsichtig auf Distanz. Denn ihre kurdischen Freunde sind dagegen
ISTANBUL taz ■ Der Abstimmungserfolg der USA bei der Irak-Resolution im Weltsicherheitsrat könnte sich schon bald als Pyrrhussieg herausstellen. Zwar ist die Besatzung nun durch den Sicherheitsrat legitimiert, doch es scheint nicht so, dass dadurch die Bereitschaft anderer Länder wächst, den USA mit eigenen Truppen beizustehen.
Während Indien und Pakistan bislang nicht reagiert haben, wird sogar die Entsendung türkischer Truppen immer unwahrscheinlicher. Angesichts des heftigen Widerstands der Kurden, ihrer treuesten Klientel im Irak, äußerten jetzt sowohl die neue Irak-Beauftragte Condoleezza Rice als auch Außenminister Colin Powell Bedenken gegenüber einem Einsatz des türkischen Verbündeten. Rice nannte die Entscheidung „sehr sensibel“ und verwies auf weitere Gespräche, die in Bagdad geführt werden müssten. „Wir sind in Kontakt mit allen relevanten Gruppen in Bagdad“, sagte die Sicherheitsberaterin und deutete an, dass diese Gespräche noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Auch Powell sagte, man arbeite noch an „den Herausforderungen“, die mit einem türkischen Einsatz verbunden wären.
Diese vorsichtigen Distanzierungen aus Washington lassen in der Türkei Hoffnungen aufkommen, der Kelch eines Einsatzes könnte doch noch an dem Land vorbeigehen. Fast alle Kommentatoren sind sich einig, das beste wäre, die USA verzichteten von sich aus darauf, das türkische Angebot in Anspruch zu nehmen. Vor allem der Anschlag auf die türkische Botschaft in Bagdad Anfang der Woche hat in Ankara wie ein Schock gewirkt. Obwohl Ministerpräsident Erdogan tönte, man werde sich von Terrorattacken nicht beeindrucken lassen, ist der Öffentlichkeit doch ganz deutlich geworden, was im Irak auf türkische Soldaten zukommen würde.
Die Verunsicherung in Washington und Ankara hat auch bereits praktische Folgen. Die technischen Gespräche über das Wo und Wie einer Stationierung sind ins Stocken geraten. Die US-Seite hat sich vertagt. Lediglich die türkische Armee bereitet sich weiterhin auf einen Einsatz vor und schafft bereits schweres Gerät an die irakische Grenze. Doch das muss nicht viel heißen. Präsident Necmet Ahmet Sezer ließ von der islamischen Konferenz in Malaysia verlauten, der Beschluss des türkischen Parlaments zum Irak heiße nicht, dass unter allen Umständen Truppen geschickt würden.
JÜRGEN GOTTSCHLICH