Daum und seine Feinde

Der ehedem in eine Kokain-Affäre verwickelte Trainer aus Deutschland will Fenerbahce Istanbul zum Champions-League-Sieger formen. Allerdings eckt er auch bei diesem Vorhaben hin und wieder an

AUS ISTANBUL TOBIAS SCHÄCHTER

Noch bevor alles richtig angefangen hatte, schienen einige den Glauben schon wieder verloren zu haben. Aber, um doch noch alles zum Guten zu wenden nach der 0:3-Heimniederlage zum Einstand ihres neuen Hoffnungsträgers Christoph Daum, legten zwei Offizielle das Schicksal ihres segensreichen Fenerbahce Spor Kulübü in die Hände höherer Mächte. Ein „Medium“ brachte die zwei Männer dazu, in eine Tüte zu urinieren, die Flüssigkeit wurde dann auf gezielt ausgesuchte Stellen im „Sükrü Sacaroglu Stadion“ gegossen. Und siehe da: In der Folge gewann Fenerbahce Istanbul nicht nur das nächste Spiel mit 7:1, sondern auch die Meisterschaft. Die bösen Geister schienen gebannt.

Jedoch: Vor fünf Wochen wurde all dies öffentlich und Hohn und Spott ergoss sich über den bestgehassten Fußball-Klub des Landes. Die Herren baten das „Medium“ nämlich erneut um dessen Magie. Dumm nur, dass sie der „Hexe“ vorher nicht die versprochene Meisterprämie hatten zukommen lassen. Die in diesen Dingen sehr weltliche Dame rückte mit einer versteckten Kamera an und verkaufte die bizarre Geschichte einem Fernsehsender.

Derzeit führt Fener die Süper Lig wieder an – und nach dem 1:0 gegen Sparta Prag stehen auch in der Champions League die Sterne günstig. Mit Okkultem hat dies wohl nichts zu tun, auch wenn der Fußball-Lehrer Christoph Daum die Meisterschaft nach einer Aufholjagd als ein „kleines Wunder“ bezeichnet. Heute Abend, ausgerechnet im Old-Trafford-Stadion von Manchester United, dem legendären „Theater der Träume“, will der 50 Jahre alte Daum nun einen weiteren Meilenstein setzen auf seinem so ersehnten Weg nach ganz oben: „Spätestens im Jahr 2007, wenn Fener 100 Jahre alt wird, wollen wir die Champions League gewinnen“, sagte der immer braun gebrannte Mann aus Oelsnitz mit Vertrag bis 2006 neulich auf einer Pressekonferenz. Und kokett fügte er hinzu: „Wenn es vorher klappt, haben wir natürlich nichts dagegen.“

Wie bei solchen Auftritten üblich, lobpreist Daum dann die Türkei in höchsten Tönen, und auch Fener-Präsident Aziz Yildirim wird wortreich gebauchpinselt. Der steinreiche Bauunternehmer will Fenerbahce zu einem „Verein der Weltklasse“ machen und ist sich damit eins mit dem erfolgsbesessenen Trainer. Doch die Beziehung Yildirim/Daum wird immer wieder auf die Probe gestellt. Zum Beispiel als Rudi Völler als Bundestrainer zurückgetreten war und Daums Name schnell in der chaotischen Nachfolgediskussion auftauchte. Der klein gewachsene Yildirim musste damals fast täglich darauf hinweisen, dass Daum noch Vertrag habe. Daum aber vermied zunächst ein unumstößliches Bekenntnis zu Fener. Dieses Zögern kostete den kultisch verehrten Meistermacher Sympathien. Enttäuscht fragen sich nicht wenige „Fenerli“: Will der Mann, der während der so genannten Kokain-Affäre einst ganz Fußball-Deutschland an der Nase herumgeführt hatte, ihren geliebten Traditionsverein nur als Sprungbrett nutzen? Schon kurz darauf musste der betröppelte Yildirim erneut vor die Presse treten, weil ein schwerer Streit zwischen Daum und einem als Yildirim-Intimus bekannten Vizepräsidenten entbrannt war. Angeblich ging es dabei um Transfer-Fragen.

„Daum bleibt Trainer“, versicherte der Präsident schweißgebadet. Fünf Stunden habe er mit dem Deutschen debattiert, jammerte Yildirim. Und Daum gestand: „Ich habe Feinde im Präsidium.“ Erst neulich beschwerte sich auch der neue türkische Nationaltrainer Ersun Yanal, Daum rede nicht mit ihm. Hintergrund könnte sein, dass Yanal ein Liebling Yildirims ist und der Deutsche es deshalb scheut, über Interna mit Yanal zu sprechen. So spekuliert jedenfalls die türkische Presse, Daum schweigt dazu.

Bei allem Undurchschaubarem hinter den Kulissen bleibt festzuhalten: Daum gelang es aus den Trümmern seines Vorgängers Werner Lorant durch geschickte Einkaufspolitik und der Integration viel versprechender Talente eine beachtenswerte Mannschaft zu formen. Die „Kanarienvögel“ bilden ein erfolgshungriges Kollektiv, dem die individuelle Klasse des holländischen Stürmers Pierre van Hooijdonk und des brasilianischen Spielmachers Alex auch zu glanzvollen Momenten verhilft. Daums Auswahl ist es auch ohne Hexerei zuzutrauen, die Gruppenphase der Champions League gegen Prag, ManU und Lyon zu überstehen.