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Archiv-Artikel

Schmutzige Tricks für und gegen Nader

Die Demokraten haben einen Albtraum: Ralph Nader. Er machte vor vier Jahren ihrem Spitzenmann Al Gore so viele Stimmen abspenstig, dass Bush die Wahl gewann. Jetzt wollen sie Nader gar nicht erst auf die Stimmzettel lassen

PHILADELPHIA taz ■ Wenn alles so einfach wäre wie in Colorado und Louisiana, dann brauchte Ralph Nader nicht Anwälte anzuheuern wie Samuel C. Stretton aus Philadelphia. Der Verbraucherschützer könnte einfach jeder der insgesamt 50 Wahlbehörden in den USA einen Scheck in Höhe von 500 Dollar zukommen lassen, und schon stünde er auf allen Wahlzetteln für die Präsidentenkür am 2. November. Indes, die Hürden sind für Nader anderswo weit höher: Nur in wenigen Staaten wie etwa im bei der letzten Wahl entscheidenden Florida tritt er für die Reformpartei an. In den Staaten, in denen er als Unabhängiger ins Rennen geht, muss er Unterschriften für seine Zulassung sammeln.

Das weit größere Problem: Die Demokraten versuchen mit allen Mitteln, Naders Kandidatur zu verhindern. Sie machen ihn für die Wahlniederlage Al Gores gegen George W. Bush vor vier Jahren verantwortlich. Nader war 2000 auf insgesamt 2,7 Prozent gekommen und hatte, so die Rechnung der Demokraten, Gore wichtige Stimmen in Staaten entzogen, die dann knapp an Bush gingen. Das soll sich nicht wiederholen, sagt ein Wahlkampfstratege von John Kerry, „unser Ziel ist es, Nader von den Wahlzetteln fernzuhalten“.

Und damit treffen sie durchaus auf Zustimmung in der amerikanischen Linken. Selbst Filmemacher Michael Moore bekniete Nader, das Handtuch zu werfen – obwohl er ihn 2000 noch unterstützt hatte. Vergebens. Der 70-Jährige sagte: „Ich bin fest entschlossen, die Situation in meinem Land zu verändern. Es ist meine Form des Patriotismus.“ Die großen Parteien befänden sich im Würgegriff der Wirtschaft. „Insofern kann man die Wahl nicht ignorieren, man muss da rein“, begründete Nader seine Kandidatur.

Lokale Parteigruppen der Demokraten arbeiten daran, dass Nader in einer Reihe von Bundesstaaten eben erst gar nicht zugelassen wird. Mit Hilfe einer Anwaltslobby namens Ballot Project Inc., für die Anwälte ehrenamtlich arbeiten. In Pennsylvania hat es Nader mit der international operierenden Kanzlei Reed, Smith & Partner aus Pittsburgh zu tun, die allein für den „Fall Nader“ zehn Anwälte abgestellt hat. Ralph Nader dagegen hat Samuel C. Stretton. „Was in Pennsylvania vor sich geht, das ist unglaublich“, sagt Stretton. Einerseits geht es um die Gültigkeit der Unterschriften: In Pennsylvania sind 25.697 Unterschriften erforderlich für die Zulassung als Präsidentschaftskandidat. Nader hat 47.000 Unterschriften gesammelt. Doch die Demokraten behaupten, dass davon 30.000 ungültig sind: nicht registrierte Wähler, unvollständige Adressen, Mehrfachnennung. Nader musste eingestehen, dass sein Wahlteam Obdachlose angeheuert hatte, die einen Dollar pro Unterschrift erhalten hätten. Das Gericht in Philadelphia ordnete die Auswertung einer Stichprobe an. Ergebnis: 75 Prozent der Unterschriften sind tatsächlich zweifelhaft. Ein Urteil ist noch nicht gesprochen.

In einem anderen Verfahren revidierte der Staatsgerichtshof den Befund eines untergeordneten Gerichts, das Staatsgesetz von Pennsylvania lasse die Kandidatur eines unabhängigen Kandidaten nicht zu, der gleichzeitig von einer politischen Partei, eben der Reformpartei, nominiert wurde.

Nader unterstellt den Demokraten „schmutzige Tricks“. Die kontern: „Nader kann doch nicht bevorzugt behandelt werden, nur weil er eine Legende ist“, sagte Cynthia E. Kernick von der Kanzlei Reed, Smith & Partner. „Für ihn gilt das gleiche Recht wie für jeden anderen, der bei dieser Wahl antreten will.“

Und das ist nicht nur in Pennsylvania so. Die Wahlbehörden in Virginia, Maine, Oregon und Illinois schlossen Nader wegen fehlerhafter Unterschriftenlisten von der Wahl aus. Naders Sprecher Kevin Zeese kündigte rechtliche Schritte auch gegen diese Entscheidungen an. Nader ist bisher erst in 29 Bundesstaaten zugelassen. „Die Demokraten quälen uns überall, egal ob der jeweilige Staat umkämpft ist oder nicht“, konstatiert Zeese.

Pennsylvania ist einer dieser umkämpften Staaten, in dem Kerry nach Umfragen mit 45 Prozent noch knapp vor Bush (44 Prozent) liegt. Nader käme auf 2 bis 3 Prozent. Allerdings nur, wenn er antreten darf.

THILO KNOTT