: Haushalte zahlen 300 Euro zu viel
Verbraucherschützer beklagen deutsche Spitzenpreise für Strom und Gas. Wettbewerb und Regulierung des Energiemarkts nach britischem Vorbild empfohlen
BERLIN dpa/ap/rtr ■ Deutsche Haushalte könnten im Schnitt jährlich 300 Euro bei Strom und Gas einsparen, gäbe es einen Wettbewerb nach britischem Muster. Haushalte und Industriekunden der Energiewirtschaft könnten sich dann eine Jahresentlastung von 22 Milliarden Euro teilen, sagte die Vorsitzende des Verbands der Verbraucherzentralen (VZBV), Edda Müller, gestern bei einer Tagung. „ Eine effektive Regulierung“ könne einen „deutlichen Konjunkturschub auslösen“. Der Chef der künftigen Regulierungsbehörde, Matthias Kurth, erwartet ebenfalls sinkende Preise.
Die jüngst von fast allen großen Energiekonzernen angekündigten Preiserhöhungen noch vor In-Kraft-Treten der Regulierung haben Proteste hervorgerufen. Auch die Debatte um das Energiewirtschaftsrecht ist dadurch erneut entfacht. Die Bundesregierung lädt deshalb zum Energiegipfel mit großen Konzernen und Industriekunden.
Voraussetzung für drastische Preissenkungen ist nach Einschätzung der Verbraucherzentrale eine wirksame Regulierung der Strom- und Gasmärkte nach britischem Vorbild. Dort sei der Strompreis vor Steuern und Abgaben um ein Drittel niedriger als in Deutschland. Der fehlende Wettbewerb und die mangelnde Regulierung bescherten den Deutschen europäische Spitzenpreise bei Strom und Gas. Würde der Strompreis auf britisches Niveau gesenkt, könnten die Haushalte über rund sechs Milliarden Euro zusätzliche Kaufkraft verfügen, rechneten die Verbraucherschützer vor.
In Großbritannien gibt es laut Verbraucherschützern neben den mit weit reichenden Kompetenzen ausgestatteten Regulierungsbehörden auch Verbraucheranwälte, „Consumer Watchdogs“. Ihr gesetzlicher Auftrag sei es, die Interessen der Verbraucher gegenüber den Unternehmen und der Regulierungsbehörde zu vertreten. Gleichzeitig seien sie Anlaufstellen für Verbraucher und bündelten deren Beschwerden. „Ein Energiegipfel beim Regierungschef ohne Verbrauchervertreter wäre in Großbritannien undenkbar“, rügte Verbraucherschutzchefin Müller mit Blick auf das geplante Spitzentreffen im Kanzleramt.
Der Chef der künftigen Regulierungsbehörde, Kurth, sieht bei den Strompreisen ebenfalls Spielraum nach unten, wenn die Berechnung von Netznutzungsentgelten geändert würde. Er regte gestern an, die Leitungsgebühren nicht wie bislang geplant an Durchschnittswerten in der Branche auszurichten. Vielmehr sollten sie sich an den Gebühren der günstigsten Anbieter orientieren. Das Argument der Netzbetreiber, die Versorgungssicherheit müsse durch entsprechende Gebühren für die Durchleitung gesichert werden, sei nicht überzeugend. „Bei den drei Besten geht das Licht doch auch nicht aus.“ Er stellte sich damit hinter die Grünen, die eine Änderung des Entwurfs des Energiewirtschaftsrechts in diesem Punkt fordern.