fußpflege unter der grasnarbe : Ungewissheiten zur Zukunft
So oder so ähnlich hat man es schon hundert-, ach was, tausendmal gehört oder gelesen, in diesem Fall stand der Satz in einem Agenturtext zum 1:1 von Union Berlin bei Eintracht Trier: „Die Zukunft von Union-Coach Mirko Votava ist damit weiter ungewiss.“ Grammatisch gesehen zweifellos ein Aussagesatz, aber was genau sagt er aus? Ist nicht die Zukunft eines jeden Menschen charakerisiert durch die Tatsache, daß sie ungewiss ist? Bei Lichte besehen im Dunkeln liegt? Que sera sera, um es mit Doris Day zu sagen und zu singen? Votava, einst 357-mal für Werder Bremen im Einsatz, ist Trainer des Letztplatzierten in der Zweiten Liga und selbst wenn von jetzt auf gleich drei Siege folgen sollten, bliebe Votavas Zukunft als Coach weiter ungewiss.
Eine Etage höher ist das berufliche Morgen einiger Kollegen ebenso wenig in Stein gemeißelt. Kurt Jara, Erik Gerets, Friedhelm Funkel, Huub Stevens (falls der nicht schon ...), sie alle könnten einen Blick in ihren Vertrag riskieren, wie hoch das Schmerzensgeld im Falle einer vorzeitigen Vertragsauflösung wäre. Und nun, nach der dritten Niederlage in Folge, wird das boulevardeske Gesetz des wilden Spekulierens und Manipulierens, so absurd es klingen mag, allmählich auch wieder Hannovers Trainer Ralf Rangnick erreichen, nachdem vor wenigen Wochen, als das angriffslustige Kombinationsspiel der 96er bejubelt wurde, der eine oder andere schon von der UEFA-Cup-Qualifikation raunte.
Seitdem Jan Simak nicht mehr mitspielt, hat der Aufsteiger der vergangenen Saison keinen Punkt geholt. Sollte es da einen ursächlichen Zusammenhang geben? Und wenn ja, dann weil Simaks genialische Pässe und Torschüsse fehlen oder weil sein spektakuläres Verschwinden, die Turbulenzen um sein Wiederauftauchen und nun die Ungewissheit seiner Zukunft die Mannschaft kirre gemacht haben? Auch wenn das feige klingt: Das lässt sich kaum beurteilen.
Stattdessen fiel mir eine andere dieser ewigen Wahrheiten des Fußballs ein, deren Wahrheitsgehalt viel zu selten überprüft wird: „Torhüter und Linksaußen sind Verrückte.“ Wir hatten damals in der C-Jugend bei Hannover 96 einen Linksaußen, den alle nur „Kerbe“ nannten, seinen bürgerlichen Namen habe ich längst vergessen. Ein kleiner kompakter Typ à la Wuttke, technisch allen überlegen, schnell und schussstark. Mal verlegen, mal großspurig grinsend nahm er die Huldigungen entgegen, wenn er seine Tricks zelebriert hatte, die manchmal freilich unter einer – keineswegs eitlen – Überheblichkeit litten. Oft dummes Zeug plappernd, dann wieder in sich gekehrt, schien er nichts richtig ernst zu nehmen. Zum Training kam er nur, wenn er nichts Besseres vorhatte, eines Tages mit einer blankpolierten Glatze: Er hatte sich aus Jux die Haare scheren lassen. Anders als heute kam so etwas in den 70er Jahren nicht gut an und er flog aus der Mannschaft. Es muss noch einige Versuche gegeben haben, ihn „in die Spur“ zu bringen, wie man so sagt.
Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Aber Jan Simak ist ja gar kein klassischer Linksaußen, oder?